Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Münzbacher ging vor ihnen auf und ab und sah dann mit zynischem Blick in ihre Gesichter.
»Das kann nicht dein Ernst sein, Wilhelm. Warum soll ich freiwillig in ein Kloster gehen?«, krächzte Anna verzweifelt.
»Wenn du einen besseren Vorschlag hast, der mir gefällt, bitte …«
»Was sollte mich daran hindern, zurück nach Dingelstedt zu gehen und allen die Wahrheit zu sagen? Du etwa?«, rief Clemens aufgebracht.
»Wer sollte dir trauen? Nenne mir einen Grund, warum die Leute dir glauben sollten, dass ich die Wäscherin umgebracht habe und nicht du? Ich war schließlich nicht mit ihr auf dem Heuschober …«
»Ich werde als Zeuge auftreten und bestätigen, was Clemens aussagt!«, meldete sich nun Burghard zu Wort.
»Ha, ein Mönch, der sich als Bauer verkleidet und wegen Diebstahls fliehen musste … Was bist du doch für ein glaubwürdiger Zeuge!« Münzbacher lachte hasserfüllt. Dann fügte er boshaft an: »Ihr seht, es bleibt euch keine andere Wahl, als auf meinen Vorschlag einzugehen!«
»Aber zuvor sag mir eins«, schrie Clemens jetzt. »Warum hast du die Magd getötet? Schließlich hättest du mich auch unter einem Vorwand dorthin locken, betäuben oder zusammenschlagen und anschließend alles abbrennen können. Warum musste die arme Frau sterben?«
»Das würdest du wohl gern wissen, was, Schwager? Aber da ich guter Stimmung bin, verrate ich es dir sogar: Die Hure hat mich erpresst. Sie wollte mit dem Kind, das ich ihr gemacht habe, zu mir auf den Hof ziehen, und das konnte ich ja schlecht zulassen.« Er lachte dreckig.
»Du hast eine Frau geschwängert und sie dann getötet? Wie konntest du nur?«, fragte Anna ungläubig.
»Ich bitte dich, jeder Krieg fordert Opfer. Und nicht anders verhielt es sich hier. Damit ich weiterhin gut leben kann und mir endlich die Schuldeneintreiber fernbleiben, musste das Weib geopfert werden …«
»So, wie du unsere Eltern geopfert hast?«, fragte Clemens. Für einen Augenblick schien Münzbacher irritiert ob dieser Worte, doch schnell hatte er sich wieder gefangen und fragte: »Woher weißt du davon?«
»Was hast du getan, du Scheusal?«, schrie Anna und wollte sich auf ihren Mann stürzen. Doch Clemens warf sich zwischen sie, sodass er die Wucht von Münzbachers Fausthieb abbekam, der eigentlich für Anna bestimmt gewesen war. Clemens fiel zu Boden und blieb liegen. Als Anna das sah, erfasste sie unbändiger Zorn. Sie glaubte zu spüren, wie die Ketten um ihren Hals und ihre Brust aufgesprengt wurden, und mit einem Mal fühlte sie sich frei und stark. Für einen winzigen Augenblick schloss sie die Augen und sah wie in einem Traum die Tür eines Käfigs weit offenstehen. Ihr war, als könne sie eine Löwin brüllen hören. Sie blickte Münzbacher hasserfüllt an, der nur ein müdes Lächeln für sie übrig hatte. Anna sah, wie die Löwin zum Sprung ansetzte und wie Münzbacher nach hinten taumelte.
Und plötzlich erkannte sie, dass nicht die Löwin, sondern sie selbst ihm den Stoss versetzt hatte. Mit voller Kraft schlug sie ihm gegen den Brustkorb. Münzbacher ging zu Boden und schlug dabei mit dem Kopf auf einem Stein auf. Regungslos, als sei sie weit weg, sah Anna, wie Blut aus einer Wunde am Kopf auf den Waldboden floss. Burghard sprang zu dem Verletzten, der mit ungläubigem Blick seine Frau anstarrte, bevor er die Augen für immer schloss.
Anna hingegen blickte zum Waldesrand und glaubte sehen zu können, wie die Löwin für immer in die Freiheit entschwand.
Sie bedachte den Toten mit keinem Blick, sondern kniete neben ihrem Bruder nieder, der noch immer am Boden lag. Sie half ihm auf und führte ihn zum Holzstapel, wo er sich setzte und gegen das Holz lehnte. Schweigend und fassungslos blickten Clemens und Burghard auf den toten Münzbacher, als Friedrich Schildknecht aus dem Gebüsch zu ihnen trat. Clemens sah den bangen Blick der Schwester und griff nach ihrer Hand.
»Hab keine Angst, Anna! Friedrich weiß Bescheid. Ihm ist es zu verdanken, dass wir uns wiederhaben.«
»Ich habe dich nicht aus den Augen gelassen, Anna«, schwor Friedrich, auf den toten Münzbacher starrend. »Ich bin ihm hierher gefolgt.« Für einen Moment hielt er inne. Dann fuhr er fort: »Ich habe alles gehört und gesehen. Ich wollte euch gerade zu Hilfe eilen, da gingst du auf Münzbacher los …«
Für einen Moment herrschte Schweigen. Dann sprach Anna: »So wirst du in Dingelstedt alles bezeugen können, und mein Bruder wird endlich wieder nach Hause kommen
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