Das Hexenmal: Roman (German Edition)
werden, wenn ich nach Witzenhausen reise. Ohne Begleitung besteht auch die Gefahr, dass die Töpferarbeiten gestohlen werden.«
»Aber doch nicht bei einer Wallfahrt!«, entgegnete Katharina entrüstet.
»Wie einfältig du doch bist!« Otto sah sie kalt an.
»Mutter«, flüsterte Katharina jetzt, den Tränen nahe, »ich verlange doch nicht viel … Bitte, nur dieses eine Mal.«
Plötzlich mischte sich Servatius ein: »Wir könnten Katharina zum Hülfensberg begleiten und sie beschützen, damit ihr und der Ware nichts geschieht.«
Alle Augen sahen erstaunt den Franziskaner an. Selbst Barnabas wusste nichts zu sagen. Schließlich pflichtete er seinem Wegbegleiter bei: »Ja, natürlich. Wir planen in Kürze weiterzuziehen, und da wir kein festes Ziel haben, können wir ebenso Eure Tochter zum Hülfensberg begleiten … Und wer weiß, vielleicht wird auch dort unsere Hilfe benötigt.«
Flehend sah Katharina ihre Eltern an. Als Barbara ihrem Mann zunickte, entschied Albert Jacobi: »Gut, Katharina, so soll es sein. Aber wenn du zurück bist, wirst du heiraten und mit deinem Mann und den Kindern nach Witzenhausen ziehen. Haben wir uns verstanden?«
»Ja, Vater!«
Freudestrahlend stürmte Katharina sogleich aus dem Haus, um zu Gudrun zu eilen. Unterwegs rief sie laut: »Ich danke dir, heilige Elisabeth, dass du mir den Franziskaner geschickt hast!«
Kapitel 42
Auch am nächsten Tag ging Anna zum Beten in die Kapelle. Kaum hatte sie in einer der hinteren Bänke Platz genommen, gesellte sich wieder die Ordensschwester zu ihr, die sie bereits am Vortag bedrängt hatte.
»Guten Morgen, meine Tochter! Wie geht es Euch heute?«
Erstaunt sah Anna die Nonne an, deren Mund ein feines Lächeln
umspielte. Ihr Gesicht war von dem schwarzen Schleier und dem weißen Tuch, das in gleichmäßigen Falten vom Hals bis zum Kinn gelegt war, wie ein Bild eingerahmt. Doch der Blick ihrer Augen verriet, dass sie etwas Bestimmtes in Annas Gesicht suchte.
»Ich danke Euch der Nachfrage. Mir geht es gut«, antwortete Anna zögernd und schaute zurück zum Altar. Sie mochte nicht mit der Ordensfrau reden und hielt ihre Hände zum Gebet gefaltete vor ihr Gesicht. Die Schwester tat es ihr nach und murmelte leise: »O Gott, komm mir zu Hilfe! Herr, erhöre mich!« Die nächsten Sätze konnte Anna nicht verstehen. Ein lautes »Amen!«, beendete das Gebet. Die Nonne setzte sich zurück auf die Bank. Sorgenvoll war ihr Blick, als sie Anna fragte: »Habt Ihr darüber nachgedacht?«
Fragend schaute Anna von ihren gefalteten Händen auf.
»Was ich Euch gestern empfohlen habe, mich in mein Kloster Anrode zu begleiten, um Euch dort zu erholen und zu prüfen. Äbtissin Paula wird erfreut sein, Euch in unsere Gemeinschaft aufnehmen zu dürfen.«
»Was wollt Ihr von mir? Wer seid Ihr, und was wisst Ihr über mich?«, erwiderte Anna mit gedämpfter Stimme, Panik unterdrückend.
Als spräche sie mit einem Kind, erklärte die Ordensschwester mit sanfter, mitfühlend klingender Stimme: »Mein Kind … es gelingt Euch nicht, Euren Schmerz vor der Welt zu verbergen.« Sie musterte Anna und fuhr sanftmütig fort: »Ihr tragt tiefschwarze Kleidung, seid nur noch Haut und Knochen, blass wie der leibhaftige Tod, außerdem schreckhaft und leicht gereizt. Ungeweinte Tränen kann ich in Euren Augen erkennen, und Ihr sucht Hilfe bei unserem Herrn … Was braucht es mehr, um zu sehen, dass ihr meiner Hilfe bedürft? Kommt zu uns nach Anrode und wir werden Euch auffangen, Euch lehren, Euch selbst zu heilen, denn die Gebete werden Euch
Kraft geben. Ein Leben in Ruhe und Stille wird Euch im Kloster empfangen, nichts wird Euch an das erinnern, das Euch schmerzt … Ihr werdet bereuen und Euch wird vergeben werden.« Die dunklen Augen der Schwester blickten gütig unter dem schwarzen Schleier hervor. Anna verstand nichts von dem, was die Nonne gesagt hatte.
»Was soll ich bereuen?«, flüsterte Anna, und vor Angst pochte ihr Herz wild in ihrem Brustkorb.
»Nicht da gewesen zu sein, als Euer Bruder den Tod fand.«
»Woher wisst Ihr von Clemens? Mein Bruder ist nicht tot!«, schrie Anna verzweifelt. Die Nonne schüttelte entsetzt den Kopf, und ihr Schleier wackelte.
»Mein Kind, Ihr braucht wahrhaftig Hilfe – er hatte Recht!«, rief sie nun mit laut hörbarer Stimme in die Stille des Gotteshauses hinein.
Entrüstet drehten sich die Betenden zu den beiden Frauen um und zischten ihnen zu, ruhig zu sein. In dem Augenblick erschien Annas Mann im Portal der
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