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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Kindern und meinem Mann ausfüllen.«
    Jeder im Raum hatte diese Worte vernommen. Ungläubig sahen der Vater und die jüngere Tochter sich an, voller Verachtung die Mutter den Schwiegersohn, auf dessen Gesicht sich das Lächeln eines Siegers erahnen ließ. Doch bevor Katharina zu antworten vermochte, war ein lautes Stöhnen zu hören. Silvia atmete tief ein, nur um die Luft ein letztes Mal auszuhauchen. Sie starb mit einem Lächeln auf den Lippen – in dem Wissen, dass der letzte Wunsch einer Verstorbenen erfüllt werden musste, auch wenn es weniger ihr eigener als der ihres Mannes gewesen war.
    Theatralisch beugte sich Otto über seine verstorbene Frau und küsste ihre Lippen. Die Schwiegermutter mutmaßte als Einzige im Sterbezimmer, dass die Trauer im Gesicht des Schwiegersohnes nur gespielt war, und er wusste, dass sie ihn durchschaut hatte. Doch das berührte ihn nicht. Seine Frau war tot, und schon bald würde eine jüngere Gefährtin an seiner Seite leben. Eine, die mehr seinem Geschmack entsprach.
    Wie in dieser Zeit üblich, hatten die Väter die Ehe arrangiert, und Otto hatte sich damit abfinden müssen, dass Silvia nicht seine erste Wahl gewesen war. Natürlich hätte es ihn schlimmer treffen können. Zum einen, weil sie keine schlechte Partie war, und zum anderen, weil sie ein ansehnliches Weib war. Sie hatte ihm ein unkompliziertes Leben beschert, und so hatte er die Verstorbene dulden können. Geliebt? Nein, geliebt hatte er sie nie.
    Ganz anders Silvia, die ihrem Mann große Zuneigung entgegengebracht und ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. Als sie das erste Mal in anderen Umständen war, gab es Komplikationen, und der Arzt verordnete der Schwangeren
Bettruhe. So war es auch bei der zweiten und dritten Schwangerschaft gewesen. Otto musste sogar in ein anderes Zimmer umziehen, damit seine Frau ungestört war. Welche Wahl hatte man ihm gelassen, als sich mit anderen zu vergnügen? Mit seinen fünfundzwanzig Jahren hielt er es für sein gutes Recht, stets über Frauen verfügen zu können.
    Mit kaum unterdrücktem lüsternem Blick musterte er jetzt die junge Katharina. Das Mädchen schaute mit großen, ungläubigen Augen auf ihre tote Schwester und schien nichts verstanden zu haben. Was hatte Silvia gesagt? Was hatte sie, Katharina, gehört? Fragend blickte sie nun ihren Vater an. Doch der wich dem Blick seiner jüngeren Tochter aus, konnte ihr nicht in die Augen sehen. Als sie sich aber zu ihrer Mutter umdrehte, sah diese sie direkt an. Katharina glaubte, Mitgefühl in ihrem Blick zu erkennen, aber auch Zuneigung, was in der Vergangenheit nur selten so gewesen war. Ja, Barbara sah ihre Tochter fast zärtlich an. Die Blicke von Mutter und Tochter schienen sich ineinander zu verhaken. Ohne die Augen von Katharina zu lösen, sagte Barbara das, was sie eigentlich nicht laut hatte aussprechen wollen: »Er bekommt sie nicht. Ich werde ihm nicht auch diese Tochter opfern!«
    »Weib, was sprichst du da?«, fragte ihr Mann.
    »Es war der letzte Wunsch einer Sterbenden«, erklärte Otto mit kalter Stimme. Barbaras Blick löste sich von ihrer Tochter und wanderte zu den beiden Männern. Ohne sichtbare Regung wiederholte sie ihre Worte: »Er bekommt sie nicht. Ich werde ihm nicht auch diese Tochter opfern!«
    Verständnislos schüttelte der Vater den Kopf. »Otto hat Recht. Es war der Wunsch einer Sterbenden. Willst du, dass ein Fluch über uns kommt?«
    »Katharina hat nicht zugestimmt«, antwortete Barbara nüchtern. »Silvia hat zwar den Wunsch geäußert, aber keine Antwort erhalten. Diesen Wunsch muss Katharina nicht erfüllen.
Warum«, wandte sie sich fragend an ihren Mann, »sollte also ein Fluch auf uns lasten?«
    »Du machst uns zum Gespött der Leute, Frau!«, schleuderte Albert seiner Frau entgegen. Barbara schüttelte heftig den Kopf: »Niemand wird erfahren, was hier geschehen ist. Und dir«, fuhr sie an ihren Schwiegersohn gewandt fort, »rate ich, es niemandem zu berichten, sonst …«
    »Sonst was? Willst du mir drohen? Es war der Wunsch meiner verstorbenen Gemahlin. Wer will mich daran hindern, ihre letzte Bitte zu erfüllen?«
    »Ich werde …«
    »Schweig, Frau!«, befahl jetzt Albert in einem Ton, der deutlich machte, dass er keinen weiteren Widerspruch dulden würde. »Es war Silvias Wunsch, und wir werden ihn ihr erfüllen. Nach einer angemessenen Trauerzeit wird Katharina Ottos Frau. Bis dahin unterstützt sie die Amme. Und du, Otto, wahrst das Andenken an deine Frau und

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