Das Hexenmal: Roman (German Edition)
außerdem vor Flausen schützen würde.
Freudig gestimmt verschränkte Johann die Hände hinter dem Kopf. Nur kurz dachte er daran, dass morgen ein anstrengender Tag vor ihm lag, da das Gras geschnitten werden sollte. Wegen der Hitze würde man schon vor Tagesanbruch damit beginnen müssen.
Doch warum darüber nachdenken, was am nächsten Tag sein würde? Jetzt war jetzt, und deshalb wollte Johann heute einfach nur daliegen und faulenzen. Er streckte sich, lächelte in sich hinein und kaute dabei auf dem Grashalm.
Nur kurz trübte die Erinnerung seine Stimmung, als ihm die Neuigkeiten, die er durch Zufall aufgeschnappt hatte, wieder in den Sinn kamen. Sie beunruhigten ihn, und es war ihm unbegreiflich, wie Menschen zu so etwas fähig sein konnten. Leider war nicht zu leugnen, dass es sich so verhalten hatte, auch wenn er den genauen Hergang der Ereignisse nicht kannte! Johann schauderte, und er versuchte die Gedanken aus seinem Kopf zu verjagen. Dann stellte er die Beine nebeneinander und kaute weiter auf dem saftigen, grünen Halm, als er in der Nähe zwei Knaben einen Freudenschrei ausstoßen hörte.
»Ich hab ihn! Hilf mir, Klaus, er zappelt so …«
Johann setzte sich auf und sah hinüber zu dem kleinen See hinter der Mühle. Erst jetzt erkannte er die Söhne von Müller Fritze, Klaus und Erwin. Auch sie blieben dem sonntäglichen Gottesdienst fern und waren stattdessen lieber angeln gegangen. Erwin hatte anscheinend einen Karpfen am Haken, der es ihm nicht leicht machte. Der Fisch wand sich in den Händen des fast Zehnjährigen und flutschte immer wieder zurück ins Wasser. Endlich hielt der Junge den Karpfen mit festem Griff und befreite ihn von dem spitzen Haken. Doch so schnell ergab sich der Fisch nicht in sein Schicksal. Er bäumte sich auf, sodass Erwin den glitschigen Körper nicht mehr halten konnte und der
Karpfen mit einem lauten Platsch wieder im Wasser landete und schnell davonschwamm.
Johann konnte hören, wie sich die Knaben gegenseitig die Schuld daran gaben, dass ihnen die Beute entwischt war. Sie beruhigten sich aber schnell wieder, und statt zu streiten prahlten sie jetzt mit Riesenfischen, die sie angeblich schon geangelt hatten. Dabei wurde ihre Beute von Minute zu Minute größer und schwerer.
Johann schmunzelte ob des Anglerlateins und legte sich wieder entspannt zurück. Seine Augen suchten am Himmel nach dem Raubvogel und fanden ihn als dunklen Punkt in dem unendlichen Blau. Der Falke hatte anscheinend ein Beutetier erspäht, denn mit einem schrillen Schrei stürzte er sich in die Tiefe. Kurz nachdem er den Boden berührt hatte, trug ihn ein leichter Wind wieder hinauf in die Lüfte, eine Maus fest in den Krallen.
Das Läuten der Kirchenglocken verkündete das Ende des Gottesdienstes. Johann spuckte den Halm aus, drehte sich auf den Bauch und stützte den Oberkörper auf den Unterarmen ab. So konnte er besser den Weg einsehen. Endlich! Nach einigen Minuten sah er sie. Als sie weit genug von der Kirche entfernt war und nicht mehr gesehen werden konnte, streifte sie im Gehen ihre helle Haube ab und schüttelte ihr Haupt, sodass ihre langen rötlichen Locken im Wind wehten. Voller Wonne streckte sie die Arme dem Himmel entgegen, drehte sich einmal im Kreis und beschleunigte ihre Schritte. Als sie seinen Schopf mit den dunkelblonden Haaren im Gras erkannte, winkte sie ihm zu und begann zu laufen.
Johann war es, als setze sein Herzschlag für einen Moment aus. Sie war das schönste Mädchen weit und breit. Wenn sie ihn mit ihren grünen, leicht schräg stehenden Augen anblickte, schmolz er dahin wie ein Schneeball in der Sonne und spürte nur noch das heftige Klopfen seines Herzens. Ihre langen rötlichen Locken gaben ihr etwas Engelhaftes, ihre grünen Augen
hingegen funkelten wie die einer Katze. Wohl deshalb hatte die Köchin Berta gemeint, dass sie wie eine Hexe aussähe. Doch Johann war intelligent genug, um zu wissen, dass dieses Gerede nur dem Aberglauben einer alten Frau entsprungen war.
Er kannte Franziska erst seit einigen Monaten, doch bereits nach wenigen Tagen hatte er gespürt, dass sie seine große Liebe war.
Als er endlich seinen Mut zusammengenommen und ihr seine Liebe gestanden hatte, hatte sie ihn nur ausgelacht. Johann war enttäuscht gewesen und hatte sich geschämt, seine Gefühle preisgegeben zu haben. Dabei war es ihm ernst, war er sich seiner Liebe sicher gewesen. Wie sollte er das Mädchen überzeugen?
Außer Atem ließ sich Franziska zu ihm ins Gras
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