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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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müssten.
    Durch sein kantiges Kinn hatte Johanns Gesicht eine fast viereckige Form. Liebend gern hätte Franziska es zart mit ihren Fingerkuppen berührt. Ja, auch sie mochte ihn. Sehr sogar. Wäre er ein einfacher Knecht und würde diese Worte sagen, die er ihr oft leise zuflüsterte, würde sie ihm glauben und vielleicht sogar vertrauen. Doch so klangen seine Liebesschwüre traurig in ihren Ohren, weil sie ihnen keinen Glauben schenken durfte.
    Franziska schloss die Augen. Als sich eine Träne aus ihren geschlossenen
Lidern stahl, wischte sie sie mit dem Handrücken weg. Sie wollte nicht weinen, ihm ihren Schmerz nicht zeigen. Sie war eine einfache Magd und würde es immer bleiben. Welch eine Närrin war sie zu hoffen, dass Träume wahr werden könnten? Wie dumm von ihr. Sie seufzte leise. Dann aber dachte sie: Was hatte sie zu verlieren, wenn sie sich ihm hingab? Nur ihre Unschuld und den Verlust des Traumes. Doch das war, neben den Kleidern auf ihrem Leib, das Einzige, was sie besaß.
    Johann hatte ihren Blick gespürt und glaubte ihre Gedanken zu kennen. Es war eine verzwickte Situation, aus der er keinen Ausweg wusste. Da gab es niemanden, den er um Rat fragen konnte. Er stellte sich das entsetzte Gesicht seines Vaters vor, wenn er ihm von seinen Schwierigkeiten, eine Frau zu erobern, erzählen würde. Mit seiner Mutter sprach er nicht über so etwas, und seine Schwester mit ihren vierzehn Jahren war noch zu jung. Sie würde ihn sicherlich bei den Eltern verraten und es womöglich überall herumtratschen. Johann spürte, wie ihm bei dieser Vorstellung das Blut in den Kopf stieg und sein Gesicht heiß wurde.
    Er grübelte. Vielleicht würde sein Patenonkel, der ehrwürdige Pfarrer Lambrecht, wissen, wie er Franziskas Vertrauen gewinnen könnte. Zwar hatte Onkel Lutz keine eigene Familie, und Johann wusste nicht, ob der Oheim jemals verliebt gewesen war. Doch Lutz Lambrecht war ein kluger Mann und könnte ihm vielleicht einen Rat geben. Freilich war es für Johanns Anliegen nicht förderlich, dass er diesen Monat schon zweimal dem Gottesdienst ferngeblieben war. Er musste mit einer Standpauke rechnen. Aber Johann war sich sicher, dass sein Pate ihm mit Verständnis zuhören würde.
    Der Pfarrer war der Bruder seiner Mutter und der Älteste von acht Geschwistern. Er war groß und hager, mit einem Kranz dichter grauer Haare um die blanke Schädeldecke. In seinen fast wasserblauen Augen blitzte der Schalk. Lutz Lambrecht war
ein fröhlicher Mann, der fast immer lächelte. Er liebte es, wenn ihn jemand zum Lachen brachte, und oft liefen ihm dabei die Tränen über die Wangen. Im Gegensatz zu den sogar oft jüngeren Glaubensvertretern war er weltoffen und nicht immer mit den Dogmen der Kirche einverstanden, was er auch öffentlich zu sagen wagte. Im Besonderen empörten den Pfarrer Hexenprozesse. Es war ihm unverständlich, dass man auch nach über hundert Jahren noch immer an den Richtlinien des »Hexenhammers« festhielt, der die Folter bei verdächtigen Frauen erlaubte. Und dass man diese Methoden dann auch noch »Gottesurteil« nannte, war ihm völlig unbegreiflich. Kam das Gespräch auf dieses Thema, wechselte das Hellblau von Lambrechts Augen wie bei einem Gewitter ins Dunkelblaue, und sie begannen zornig zu blitzen.
    Der Pfarrer war ein weiser und gerechter Mann. Johann verehrte ihn. Ja, dachte er, sein Patenonkel war genau der Richtige für ein Gespräch. Er nahm sich vor, alsbald zu ihm zu gehen. Zufrieden mit dieser Entscheidung drehte Johann sich zu Franziska, die mit geschlossenen Augen ruhig neben ihm lag. Gleichmäßig hob und senkte sich ihre Brust. Ein zärtliches Lächeln huschte über Johanns Gesicht. Ja, er liebte sie. Glücklich legte er sich zurück ins Gras und tastete nach ihrer Hand. Sanft verhakten sich seine Finger in den ihren.

Kapitel 3
    »Du weißt, dass ich die Wahrheit sage.« Clemens sah seine Schwester Anna an und forschte in ihrem Gesicht nach einer Antwort. Doch wie jedes Mal, wenn das Gespräch auf ihre Heirat kam, wich Anna seinem Blick aus. Was sollte sie ihm antworten? Dass es ein Fehler war, Wilhelm im vergangenen Jahr
überstürzt geehelicht zu haben? Es würde nur bestätigen, dass jeder, der sie vor diesem Mann gewarnt hatte, klüger gewesen war als sie selbst. Längst hatte sie die Heirat als Irrtum erkannt, den sie nicht mehr rückgängig machen konnte.
    Anna seufzte vernehmlich und blieb ihrem Bruder wieder einmal eine Antwort schuldig. Clemens wusste, dass sie

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