Das Hexenmal: Roman (German Edition)
wieder besser geht, dann wird sich alles regeln.«
»Nichts wird sich regeln, Herr Pfarrer. Ich weiß Ihre Zuversicht zu schätzen, auch für Ihre Hilfe bin ich sehr dankbar, aber ich werde nicht länger hier in der Gegend bleiben. Ich werde weiterziehen und mir eine Arbeit weit weg von hier suchen. Johann ist ohne mich besser dran. Das weiß ich. Wie konnte ich so töricht sein zu glauben, dass unsere Liebe eine Zukunft haben würde? Ich, die von nirgendwoher kommt und nichts hat. Nein, Herr Pfarrer, für mich ist kein Platz auf dem Bonner-Hof. Da bald der Herbst anbricht und es dann schwieriger wird, eine Anstellung zu finden, werde ich morgen aufbrechen. Nur für diese eine Nacht möchte ich Euch um eine Unterkunft bitten.«
Geduldig hatte Lambrecht dem Mädchen zugehört.
»Franziska, bevor ich nach Hause ritt, habe ich einen Umweg nach Duderstadt unternommen, um dort mit Herrn und Frau
Hesse zu sprechen. Sie würden dir gern eine Stelle anbieten. Es sind anständige Menschen mit fünf kleinen Kindern, die Hilfe für die Küche suchen. Warum willst du nicht erst einmal dort arbeiten? Wenn es dir nicht gefallen oder du dich nicht wohlfühlen solltest, kannst du immer noch weiterziehen.«
Aufmunternd sah er das Mädchen an, doch dieses schüttelte den rotgelockten Kopf.
»Ich glaube nicht, dass dies ein guter Einfall ist. Die Familie würde durch mich nur Schwierigkeiten bekommen, und das möchte ich nicht.«
Fragend hob der Pfarrer eine Augenbraue. Zuerst wich das Mädchen seinem Blick aus, doch dann berichtete es von der letzten Begegnung auf dem Hof: »Bevor ich das Gut verließ, traf ich auf Karoline. Sie meinte, dass … dass …«, es fiel ihr wahrlich schwer, es auszusprechen, »… dass ich den bösen Blick hätte und dass es besser gewesen wäre, wenn ihr Vater mich totgeschlagen hätte. Ihr wisst, was das bedeutet! So wie Karoline denkt auch die Köchin Berta und sicher noch einige andere. Der Großbauer ist ein einflussreicher Mann. Wenn er will, kann er mich anklagen und vor Gericht bringen …«
»Franziska, jetzt übertreibst du aber. Sicherlich ist der Großbauer verärgert, und sein Handeln kann ich nicht gutheißen, doch aus welchem Grund sollte er dich anklagen? Auf das Geschwätz einer Vierzehnjährigen oder einer verbitterten Köchin darfst du nichts geben. Noch nie habe ich gehört, dass man ein junges Mädchen wegen Hexerei angeklagt hat. Also warte bitte, bis Johann wieder gesund ist.«
Es klopfte zaghaft an der Tür.
»Ah, Frau Maifart ruft uns zum Nachtessen. Komm, Franziska, stärke dich, du hast sicher noch nicht viel gegessen. Anschließend bringe ich dich zu den Hesses. Vertraue mir, mein Kind, alles wird gut!«
Die Hesses waren Eigentümer einer der Brauereien in Duderstadt. Wie man es von einem Braumeister erwarten konnte, schob der Hausherr einen dicken Bauch vor sich her. Seine Wangen waren gerötet, und die kleinen blauen Augen schauten listig aus einem freundlichen Gesicht. Frau Hesse wirkte ebenso liebenswürdig, war aber schlanker als der Gatte, und trotz der kleinen, schreienden Kinder, die sie den ganzen Tag in Atem hielten, strahlte sie Ruhe aus.
Nachdem Lambrecht dem Ehepaar von Franziskas Schicksal erzählt hatte, ging Frau Hesse auf Franziska zu und umarmte sie mütterlich.
»Du armes Mädchen. Wie ungerecht die Welt doch sein kann. Aber hier glaubt niemand dem Geschwätz der dummen Leute.«
Mit Wohlwollen sahen ihr Mann und der Pfarrer diese Geste der Nächstenliebe. Nur Franziska wusste nicht, wie sie sich fühlen sollte. Hätte sie gewusst, was nur wenige Orte entfernt im selben Moment beschlossen wurde, wäre sie gelaufen, so weit sie die Füße tragen konnten.
Kapitel 15
Der Mann, der sich den Händlern und den Mönchen auf ihrer Reise angeschlossen hatte und jetzt neben Bruder Servatius einherschritt, nannte sich Barnabas.
Auf die Frage, woher er käme, wies er mit dem Daumen über die Schulter hinter sich. Burghard hatte sich umgedreht und sah nur Felder und Wälder. Auch Servatius blickte ungläubig in die Richtung.
»Und wohin gehst du?«, fragte er den Mann.
Barnabas wies mit dem Finger stumm vor sich.
Nun verzog sich Servatius’ Mund zu einem zynischen Lächeln.
»Du redest wohl nicht gern«, stellte er fest.
Schwarze Augen blickten ihn spöttisch an. Burghard ging lieber zwei Schritte hinter den beiden, da der Fremde ihm unheimlich war. Dieser überragte den Mönch beinahe um einen ganzen Kopf, und dabei war Burghard schon Servatius
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