Das Hexenrätsel
Nein, da habe ich die Nase voll.«
»Dann mache ich es.«
»Du machst gar nichts«, erklärte Gaby Schreiber. »Hast du verstanden? Nichts!«
Birgit Lachmann schluckte. »Hör mal, was erlaubst du dir eigentlich mir gegenüber? Das ist eine Frechheit, mich so zu behandeln. Bin ich etwa dein Lakei?«
»Nein, das nicht. Aber ich gebe hier den Ton an.«
Birgit sprang auf. »So weit kommt es noch.« Sie streckte ihren Arm aus.
»Ich gebe dir eine Bedenkzeit. Bis heute abend mußt du dich entschieden haben. Wenn nicht…« sie holte tief Luft, »ist es aus zwischen uns. Ich will das Ding nicht mehr hier im Raum haben. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Du hast zumindest sehr laut gesprochen.«
»Dann richte dich danach.«
Birgit nickte Gaby noch einmal zu und verließ das gemeinsame Zimmer. Mit einem lauten Knall fiel die Tür hinter ihr ins Schloß. Gaby Schreiber aber blieb sitzen. Ihre Lippen waren zu einem seltsamen Lächeln verzogen, als sie auf die geschlossene Tür blickte, und in ihren Augen lag ein Glanz, wie sie ihn nicht kannte.
In der Tat hatte sie sich verändert. Das spürte sie selbst. Sie dachte jetzt anders, als noch vor wenigen Stunden. Aber es waren keine guten Gedanken, die in ihrem Inneren flössen, sondern böse und für sie irgendwie abstrakt wirkend.
Sie reckte sich, drückte den Rücken durch und legte sich lang auf das Bett. Dabei hatte sie das Schwert ein wenig zur Seite geschoben, damit sie sich neben die Waffe legen konnte.
In Augenhöhe lag der seltsame Schlangengriff. Gaby betrachtete die ungewöhnliche Form.
Er war wirklich außergewöhnlich, und erst jetzt, bei genauem Hinschauen, erkannte sie, daß sie sich die ganze Zeit über getäuscht hatte. Der Schwertgriff bestand nicht nur aus zwei Schlangen, sondern aus drei ineinander verschlungenen Reptilien, die merkwürdigerweise knallrote Augen besaßen.
Sie waren nicht sehr groß. Im Umfang zu vergleichen mit den Perlen einer normalen Kette.
Die rote Farbe der Augen erinnerte das Mädchen an geronnenes Blut. Sie hob die Hand und fühlte vorsichtig mit der Fingerspitze nach, ob es auch stimmen konnte.
Kaum hatte sie ein Auge berührt, da zuckte die Hand zurück. Das Auge hatte sich wirklich seltsam angefühlt.
Schwammig, sogar leicht feucht, als wäre es mit einer Flüssigkeit gefüllt. Die auf dem Bett liegende Gaby Schreiber schluckte. Der Griff des Schwertes und ihr Gesicht befanden sich so dicht zusammen, daß zwischen ihnen nur die Breite einer Hand paßte.
Die Köpfe der Schlangen befanden sich oberhalb, genau am Ende des Griffes. Unten und am Beginn der Klinge ringelten sich die Körper auseinander, allerdings nur zwei, denn der dritte Schlangenkörper war mit den anderen beiden verschlungen.
Je länger sie auf den Griff schaute und je intensiver sie sich die Schlangen ansah, um so stärker wurde das Gefühl, das die drei Schlangen gar nicht tot waren.
Sie lebten…
Gaby atmete hastig.
Jetzt sah sie sehr deutlich, daß sich sogar die Augen bewegten. Sie rollten in den schmalen Köpfen, und auch die Klinge selbst nahm einen anderen Glanz an. Sie wurde wesentlich heller. Es war eine Mischung aus blau und weiß. Das durch das Fenster fallende Licht konnte die Klinge nicht treffen, es fiel genau daneben, somit mußte das geheimnisvolle Leuchten eine andere Ursache haben. Gaby war geschockt und fasziniert zugleich. So etwas hatte sie noch nicht erlebt, und sie vernahm plötzlich eine Stimme in ihrem Kopf, während sie gleichzeitig das Gefühl einer seltsamen Müdigkeit übermannte und die Mattheit durch all ihre Glieder kroch. Es war ihr nicht mehr möglich, sich zu erheben oder dem eigenen Willen zu gehorchen, obwohl sie es gern gewollt hätte, aber die anderen, fremden Kräfte waren stärker als sie.
Sie hielten sie umfangen!
»Hörst du mich, Gaby?«
Die männliche Stimme war da, obwohl sich niemand im Zimmer befand. Und sie drang aus dem Schwert, das neben dem Mädchen lag. Die Waffe sprach zu ihr!
Ein Schauer rann über den Rücken des Mädchens. Angst bekam sie ebenfalls, obwohl diese gleichzeitig mit einer gewissen Neugierde gepaart war. »Ich höre dich. Wer bist du?«
»Baldur von der Lenne, der Hexenjäger. Und du hast es geschafft, den alten Bann zu brechen!«
»Welchen Bann?«
Ein leises Lachen klang aus dem Schwert.
»Das will ich dir sagen. Vor langer Zeit, als ich noch die Hexen jagte und sie tötete, da nahte auch mein Ende. Aber ich wollte nicht so sterben, ich wollte mein Schwert
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