Das Hexenschiff
angegriffen. Ich wußte nur nicht, was geschah, wenn sie nicht mehr waren. Dann würde das Boot unter Umständen zerschmettert und ich gleich mit. Das wollte ich doch nicht.
So mußte ich abwarten.
Die Hexen achteten den Befehl ihres Herrn und Meisters. Sie stoppten ihren schauerlichen Gesang, drückten ihre mageren Oberkörper in die Höhe und starrten ihn an, wobei sie sich in einem Halbkreis aufgebaut hatten.
Esmeralda, die Anführerin, war einen Schritt vorgegangen und hatte die Arme erhoben.
Dabei waren die Ärmelöffnungen zurückgerutscht, so daß die bleichen Arme weit vorstachen. Die dünne, stockige Haut schien auf die Knochen geklebt worden zu sein, und die Nägel waren lang und spitz wie kleine Messer.
»Satanas!« schrie sie. »Satanas. Du bist gekommen, um uns zu unterstützen. Wir haben unsere Rache nicht vergessen. Die Menschen befinden sich an Bord dieses Schiffes. Sie werden mit uns zusammen in die Hölle rudern. Es sind die Seelen, die wir dir schenken. Als Belohnung dafür, daß du uns aus dem Bann befreit hast. Wenn die Körper brennen, kannst du ihre Seelen mit in die Schlünde der Hölle nehmen.«
»Ich habe mich über das Geschenk gefreut. Aber noch mehr über den, der eigentlich nicht zu ihnen gehört.«
Esmeralda wußte Bescheid, daß nur ich gemeint sein konnte. Ruckartig drehte sie sich herum. Ihr Gesicht verzerrte sich noch mehr. Es nahm einen abstoßenden, widerlichen Ausdruck an. Kleine Kinder hätten Angst bekommen, und bestimmt nicht nur sie, auch Erwachsene. Meine Reaktion blieb kühl. »Ich passe dir und deinen Hexenschwestern wohl nicht ins Konzept, was?«
»Du wirst auch…«
»Nicht so voreilig«, unterbrach die Stimme des Teufels die Hexe.
»Sinclair ist gefährlich.«
»Ja, ich weiß. Aber wir sind besser.«
Da schwieg Asmodis lieber.
»Das dachte Wikka auch«, erklärte ich.
Esmeralda zuckte zusammen. Ich hatte von allein das Thema angesprochen, um das sich so viel drehte.
Wikka! Sie hatten auf ihre Königin gehofft, sie war nicht erschienen. Daß es sie nicht mehr gab, wollten sie mir nicht glauben. Ich war gespannt, welch eine Antwort sie von Asmodis bekommen würde und ob er den Tod seiner liebsten Dienerin freiwillig zugab.
»Ist sie wirklich vernichtet, Asmodis?« schrie Esmeralda der im Nebel schwimmenden Fratze zu. »Gib uns eine Antwort. Ist sie wirklich vernichtet?«
»Ja!«
Nach dieser klaren Antwort, die selbst mich überraschte, waren die fünf Hexen zunächst stumm. Der Schrecken stand in ihren Gesichtern geschrieben, das erkannte ich trotz des herrschenden Nebels. Damit hatten sie nicht gerechnet. Sie mußten meine Worte für einen Bluff gehalten haben.
»Tot«, krächzte Esmeralda. »Sie ist tot. Nein!« schrie sie plötzlich und schüttelte den Kopf, daß ihre wirren Haare von einer Seite zur anderen flogen. »Wie kann eine so hohe Dienerin des Satans vernichtet werden? Und wie ist es möglich, daß ein verdammter Mensch unsere Königin…«
Ihre nächsten Worte gingen in einem wütenden Jaulen unter. So fertig und aufgelöst war sie.
»Er hat es nicht direkt getan!« erklärte der Satan. »Es waren noch andere mit im Spiel. Dämonen und Sinclairs Freunde, von denen sich zwei ganz in der Nähe befinden. Ihr könnt sie euch später vornehmen, das Versprechen gebe ich.«
»Aber er hätte sie retten können!«
»Sicher, das hätte er.«
»Dann ist er trotzdem an ihrer Vernichtung schuld. Und wir werden ihn grausam bestrafen, so wie auch die anderen Menschen, die wir auf das Schiff geholt haben.«
»Zeigt sie!« verlangte der Teufel. »Natürlich.«
Esmeralda drehte sich. Ich war gespannt, was sie jetzt unternehmen würde, denn bisher hatte ich von den Leuten aus Kelgin noch keine Spur gefunden.
Bannsprüche, Hexengedichte, finstere Magie, das alles mußte eine perfekte Dienerin des Teufels beherrschen, und Esmeralda bewies mir, daß sie dazu in der Lage war. Sie begann in einer mir unbekannten Sprache zu reden, bewegte dabei ihre Arme, und ich hörte, wie etwas heranbrauste, das mir sekundenlang den Atem raubte. Ich erlebte den Sturmwind der Magie, hörte das heisere Lachen des Teufels heraus und sah sein Gesicht wie einen Kreisel vor meinen Augen wirbeln.
In diesen Momenten war ich ziemlich schwach. Wenn es ihm jetzt gelang, zuzuschlagen, würde er mich empfindlich treffen können, deshalb umklammerte ich mein Kreuz und fühlte seine Stärke, die auf mich überging.
Ich überstand den Ansturm Schwarzer Magie und konnte bald wieder
Weitere Kostenlose Bücher