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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Hipp
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herzustellen. Nur das, was wirklich sehr gut ist, ist dem echten Handwerker gut genug. Mit diesem Stolz im Bewusstsein, diesem Berufsethos gibt er sich nicht mit dem Zweitbesten oder dem irgendwie Genügenden zufrieden. Der Handwerkerstolz gilt in unserem Unternehmen weiterhin, er gibt den Takt vor und appelliert an Verantwortlichkeit und Gewissen eines jeden Mitarbeiters. Die Tradition des Handwerkerstolzes steckt uns sozusagen in den Knochen. Dieses Prinzip verfolge ich als Unternehmer jedoch nicht nur im Hinblick auf unsere Produkte. Ich sehe unsere Mitarbeiter als Menschen, die dieses Berufsethos verinnerlicht haben und damit keine austauschbaren, bloß ausführenden Arbeitnehmer sind, sondern Menschen, für die der Handwerkerstolz ebenfalls kein leeres Wort ist.
    Bereits von meinem Großvater rührt die Tradition her, alle Menschen, mit denen wir zu tun haben, gut zu behandeln und von jedem immer zunächst nur das Beste anzunehmen. Das ist eine Lebenshaltung, die in unserem Unternehmen zur Tradition wurde, zur gelebten Unternehmenskultur. Ich muss dies ausdrücklich betonen, da diese Haltung in Unternehmen alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Schon gar nicht in den Zeiten meines Großvaters, als autoritäre Strukturen der Normalfall waren und der kleine Angestellte wenig zu sagen und schon gar nichts zu entgegnen hatte. Damals waren die Chefs noch Patriarchen alten Schlags und blickten zumeist misstrauisch auf ihre Untergebenen. Auch heute noch, in Zeiten der angeblich flachen Hierarchien, der Teamarbeit und der lernenden Organisation hören wir immer wieder von Unternehmen,die ihre Unternehmenskultur auf Misstrauen aufbauen und ihren Mitarbeitern stets das Schlechteste unterstellen. Solche Unternehmen zeichnen sich aus durch Kontrollwahn, Repression und Bespitzeln der Mitarbeiter. Schlechtes Betriebsklima inklusive.
    Von daher erlebe ich zum Bespiel die Tradition der Wertschätzung unserer Mitarbeiter als Geschenk und als wertvolle Richtschnur für mein eigenes Leben. So ist es mit allen Traditionen: Sie werden mir gegeben von jemandem, der diesen Wert erhalten wissen will. Ich eigne mir – vielleicht mit anfänglichen Zweifeln oder auch Auseinandersetzungen – diesen Wert, diese Tradition an und versuche, damit umzugehen. Ich versuche, damit zu leben und mich mit dieser Tradition anzufreunden. Wenn es mir dann damit gut geht, verinnerliche ich sie ganz und gebe sie dann weiter.
    Traditionen schützen uns. Dank ihrer müssen wir keine unnötigen Umwege gehen, und wir müssen nicht immer wieder ganz von vorne anfangen, um das Rad neu zu erfinden. Nehmen wir zum Beispiel die Arbeit eines Handwerkmeisters, der seinen jungen Lehrlingen sein Handwerk beibringt. Er sagt ihnen ganz genau, wie sie etwas zu machen haben. Und er begründet es, indem er sagt: „So hat es sich bewährt. Anders geht es nicht, Du wirst es sehen.“ Er gibt sein Können und seine Erfahrung an die nächste Generation weiter. Ausbilder, Lehrer und Professoren helfen ihren Lehrlingen, Schülern und Studenten, an unserem Weltwissen und unserer Kultur teilzuhaben. Vieles davon, was sie uns beibringen, begleitet uns bis ins hohe Alter. Das Unterweisen und Anlernen ist eine typische und eine der wichtigsten Arten der Traditionswahrung, die zum Beispiel auch in den Zünften gepflegt worden ist. Wenn jemand eine Sache zunftgerecht oder zünftig macht, bedeutet das, dass er sie auf die einzig richtige Weise macht. Über Jahrhunderte ist dieser feste Strang der Handwerkstradition nie abgerissen.
    Sorge bereitet mir in der Gegenwart jedoch, dass sich im Bezug auf das handwerkliche Wissen und im Blick auf viele Jahrhunderte alte Fertigkeiten zunehmend blinde Flecken bilden.Ich fürchte, dass manches Wissen um Fertigkeiten und Techniken heute nur noch theoretisch überlebt. So konnte es zu dem mittlerweile oft gehörten Ausspruch kommen: „Jeder weiß, wie es geht, aber keiner kann es mehr.“ Das ist eine Tendenz, die ich für fatal halte. Denn wenn Fertigkeiten und Techniken nirgendwo mehr praktisch unterrichtet werden, wenn also das ganz konkrete Können nicht mehr weitergegeben wird, dann stirbt eine Tradition. Schon jetzt gibt es zum Beispiel nur noch wenige Handwerker, die es verstehen, die venezianischen Gondeln zu bauen. Irgendwann wird es niemand mehr können. Die schriftliche Aufzeichnung und sonstige Dokumentationsformen, die dann nachzulesen sind, halten eine Tradition nicht lebendig. Google oder Wikipedia werden die lebendige

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