Das Hiroshima-Tor
den Sohn ein ewiges Trauma gewesen sein. Und wenn der Quastenflosser als Botschaft in der Tafel eingraviert war, dann musste
auch der Text eine besondere Bedeutung haben.
Heli Larvas Computer wurde im Labor der finnischen Zentralkripo KRP untersucht. In dem kargen Raum standen mehrere Tische
mit verschiedenen Messgeräten, Mikroskopen und Laborgerätschaften. Die Jalousien waren heruntergelassen.
Der Computerspezialist des Labors trug Latexhandschuhe. Er hatte an Larvas Rechner eine Tastatur und einen Bildschirm des
Labors angeschlossen. Vor dem Monitor hatten sich Blomberg und zwei Beamte der Sicherheitspolizei versammelt.
Sämtliche E-Mails , die auf dem Computer eingegangen und von ihm verschickt worden waren, hatten sie bereits gespeichert. Jetzt nahmen sie sich
die Bilddokumente der Webkamera vor.
»Mach das noch mal von vorne«, sagte Blomberg.
Das grobkörnige Bild stand still, dann begann die Aufnahme wieder von vorn. Im halb dunklen Raum sah man einen Mann und auf
dessen Schoß mit gespreizten Beinen und nacktem Oberkörper Heli Larva.
»Meine Fresse«, sagte Blomberg leise. »Kriegst du den Mann schärfer?«
Die Stille im Labor wurde nur durch das Sirren der Leuchtröhren an der Decke und das Klicken der Maus durchbrochen.
»Wenn das überhaupt nötig ist«, murmelte Blomberg. »Für mich sieht der aus wie Nortamo.«
|314| In der Wohnung in der Jääkärinkatu herrschte eine angespannte Atmosphäre.
Asko Lahdensuo legte die Computerdiskette auf den gläsernen Couchtisch. Er war blasser als sonst, und seine Haare standen
ihm wirr vom Kopf – er hatte nach dem morgendlichen Tennismatch nicht geduscht. »Hier ist eine Kopie des Materials.« Neben
die Diskette legte er ein Blatt Papier mit der Passage, die Finnland bertraf.
»Das muss vernichtet werden«, sagte Premierministerin Marjatta Lahdensuo leise.
»Oder an einem sicheren Ort aufbewahrt«, entgegnete Asko. »Für den Fall, dass es gebraucht wird.«
»Das kann man nicht verwenden«, stellte Harri Lahdensuo, der Mann der Premierministerin, fest. Man sah seinem Gesicht an,
dass er schlecht geschlafen hatte. »Auf keinen Fall. Dieses Spiel ist zu Ende gespielt.«
»Es schadet nicht, wenn man es aufbewahrt«, sagte sein Bruder Asko. »Für alle Fälle.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Marjatta eisig.
»Ich bringe die Diskette in das Bankschließfach, in dem einige meiner Papiere liegen. Da kommt niemand außer mir heran.«
Marjatta sah ihren Schwager scharf an, beugte sich über den Tisch, nahm die Diskette und schob sie in den Briefumschlag.
»Ich habe dafür bezahlt, ich trage die Verantwortung, und ich bewahre sie auf«, sagte Asko scheinbar ruhig.
»Welche Verantwortung? Du hast eine Firma, die du damit nicht aufs Spiel setzt. Aber ich verliere mein Amt und ruiniere meine
gesamte politische Karriere, wenn ich damit in Verbindung gebracht werde.«
»Du wirst nichts verlieren. Hier herrscht das Gleichgewicht des Schreckens. Selbst wenn jemand von der Diskette wüsste, will
doch niemand aus dem Machtbereich der Präsidentin in den alten Sachen wühlen. Nicht einmal die SiPo.«
»Wenn jemand von der Diskette wüsste? Was willst du damit sagen?«, fragte Marjatta noch besorgter als zuvor.
|315| »Nichts. Aber wie gesagt, ich werde das Material vorsichtshalber aufbewahren. Ich werde es niemandem geben, ohne zuvor mit
dir gesprochen zu haben.«
Asko Lahdensuo streckte die Hand aus, und die Premierministerin gab ihm zögernd die Diskette.
Mit dem Telefon am Ohr fuhr Timo mit überhöhter Geschwindigkeit auf der A7 in Richtung französische Grenze. Die Autobahn führte
zwischen trockenen Hängen hindurch, der Nachmittagsverkehr war lebhaft.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er Maria Aguilar, die er an ihrem Arbeitsplatz erreicht hatte.
»Nichts Neues von Sally. Die Polizei geht der Sache nach. Und am Institut treiben sich immer noch zwei Amerikaner herum, die
sich nach ihr erkundigen.«
»Auch bei Ihnen?«
»Ich werde bestimmt auch noch an die Reihe kommen.«
»Ich hoffe, Sie werden nicht ...«
»Keine Angst. Über Sie werde ich kein Wort sagen. Und ich werde so tun, als kenne ich Sally nicht gut. Wie es aussieht, begegnen
die anderen den Amerikanern auch ziemlich ablehnend. Außer einer Doktorandin, die zufällig selbst Amerikanerin ist.«
»Ich war auf dem Friedhof. Warum ist denn da ein Latimeria in die Tafel eingraviert?«
»Das weiß ich nicht. Sallys zwanghafte Fixierung auf
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