Das Hiroshima-Tor
akzeptierten viele Bundesstaaten der USA die Ergebnisse vor Gericht. Beim
Kriegsgericht sowie beim Geheim- und |319| Sicherheitsdienst verließ man sich allerdings nicht darauf. Baumgarten wäre nie auf die Idee gekommen, so ein Ding zu benutzen,
das war etwas für Amateure.
Hin und wieder hatte er einen Vericator benutzt, der auf Stimmenanalyse basierte. Die Stimme eines lügenden Menschen vibrierte
anders als bei einem, der die Wahrheit sagte. In der Praxis hatte sich jedoch herausgestellt, dass man mit dem Vericator nur
das Stressniveau einer Person messen konnte, das nicht unbedingt mit dem Lügen korrelierte.
Das Problem aller Verfahren, die äußere Zeichen des Lügens registrierten, war – neben der Manipulationsanfälligkeit –, dass beim Verhör auch das Stressniveau einer Person, die die Wahrheit sagte, anstieg. Darum waren die Sicherheitsorgane
ständig bestrebt, Methoden zu entwickeln, die die beim Lügen ausgesandten Signale direkt im Gehirn aufzeichneten.
Baumgarten war an einem Projekt beteiligt gewesen, bei dem das Gehirn eines Probanden mit einer Kernspintomografie aufgenommen
wurde. Die Versuchsperson hatte über Spielkarten in ihrer Hand Falschaussagen treffen müssen. Für jede gelungene Lüge waren
ihr zwanzig Dollar versprochen worden. Das Geld hatte gespart werden können, denn jedes Mal wenn die Versuchsperson gelogen
hatte, hatten der
Gyrus cingularis
und der linke Vorderlappen der Hirnrinde auf dem Bild geglüht. Noch befand sich das Verfahren im Versuchsstadium. Es war vielversprechend,
aber die notwendigen Apparaturen waren für den Feldeinsatz zu schwer.
Die verheißungsvollste Technologie aber, die Pontifex, MER-MER und einige andere Methoden verwendeten, beruhte auf der Messung
elektrischer Gehirnströme. EE G-Geräte waren leicht zu transportieren, und das Verfahren hatte unter Laborbedingungen einen Zuverlässigkeitsgrad von 99,9 Prozent erreicht. In Guantánamo waren damit gute Resultate erzielt worden, ebenso im Gefangenenlager Camp Dolena in der Nähe
des Flughafens Bagdad, wohin jene Iraker gebracht worden waren, die man für die wichtigsten Informationsquellen gehalten hatte
– außerhalb |320| jeglicher Gefangenenstatistik. Der Apparat funktionierte auf der Grundlage von Fragen nach exakten Einzelheiten, zum Beispiel
dem Schauplatz eines Verbrechens oder eines Terroranschlags. Das Fehlen eines bestimmten Gehirnstroms bedeutete, dass die
entsprechenden Details der verhörten Person tatsächlich nicht bekannt waren.
Baumgarten ließ den Anhänger der Halskette wieder auf Sally Nishikawas Brust zurückfallen. An sich war der Schmuck ein geeigneter
Gegenstand der Konkretisierung für den Pontifex, dennoch war es schwierig, genaue Fragen zu stellen. Gerade geeignete Fragen
zum DN S-Code ließen sich kaum bilden. Mit dem Pontifex hatte man darum fast nur simple Zustimmungen oder Verneinungen bekommen.
Mit den pharmakologischen Verfahren war es nicht anders gewesen. Baumgarten hatte es bei Nishikawa mit Thiopental und zwei
weiteren Barbituraten versucht, obwohl er damit ansonsten zurückhaltend war. Seiner Erfahrung nach bekam man damit keine Informationen
aus der zu verhörenden Person heraus, wenn sie diese nur hinreichend entschlossen verheimlichen wollte. Der Grenzbereich zwischen
Wachsein und Schlaf war bis zu einem gewissen Punkt willensbedingt. Und Frau Nishikawa hatte offensichtlich beschlossen, die
Wahrheit für sich zu behalten.
»War es deine Idee, den DN S-Code von Latimeria auf die T-Shirts zu drucken?«, fragte Baumgarten.
»Nein«, sagte sie.
Baumgarten sah Novak fragend an. Die Serie mit den zehn Fragen war zu Ende.
»Druck die Analyse aus und komm nach oben«, sagte Novak und ging ins Wohnzimmer hinauf.
Während Baumgarten sich dem Computer zuwandte, öffnete Novak im Wohnzimmer das Fenster und sog die frische Luft ein. Hinter
den Bäumen und Sträuchern der Carrer dels Cavallers war es still. Die Sonne sank, und die Lichter von Barcelona gingen an.
Adler stellte die Pizzakartons, die ein Bote gebracht |321| hatte, auf den Tisch. Er trug seine Waffe am Gürtel. Perry suchte in der Küche nach Besteck.
Mit dem Ausdruck des Pontifex in der Hand kam Baumgarten aus dem Keller.
»Nichts«, sagte er frustriert und reichte Novak das Blatt Papier.
In der linken Spalte waren die Interpretationen der Antworten zu lesen.
Nur bei der letzten Antwort war die rote Kurve aufgetaucht, die für eine Lüge stand.
»War
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