Das Hiroshima-Tor
zahlte sein Zimmer bar, »damit ich es morgen nicht in aller Frühe tun muss«, und bat noch einmal
darum, ins Internet zu dürfen, bevor er »in die Stadt« ging.
Er suchte sich die Adresse der am nächsten gelegenen Autovermietung heraus und machte sich auf den Weg. Der Himmel war bewölkt,
und der Wind vom Meer hatte zugenommen. Bevor er rüber nach Frankreich fuhr, zu dem Treffpunkt, den er mit Soile vereinbart
hatte, wollte er dem Friedhof Vallcarca einen Besuch abstatten.
Colin Baumgartens Augen waren zehn Zentimeter von Sally Nishikawas Pupillen entfernt. Diese waren extrem geweitet, obwohl
eine sengende 50 0-Watt -Halogenlampe aus einem halben Meter Abstand direkt ins Gesicht der Frau schien.
»Wann hast du deinen Schwiegervater Yoshima Nishikawa zum letzten Mal gesehen?«
»Ich erinnere mich nicht.«
Baumgarten lehnte sich zurück. Die Angst war die beste Verbündete des Vernehmenden, aber sie blieb nie lange frisch. Sobald
sie nachließ, musste man wieder die Methode wechseln.
Dick Novak schaute von der Tür aus zu. Ihm fiel auf, dass der |308| Schweiß auf Baumgartens Stirn mindestens genauso perlte wie bei Nishikawa. Es gab in dem fensterlosen Keller keine Klimatisierung.
Sie saßen auf Plastikstühlen neben Waschmaschine und Wäschetrockner.
Novak und Baumgarten hatten bereits die klassische Taktik ausprobiert, bei der Baumgarten den Harten, Bedrohlichen und Ungeduldigen
gespielt hatte, während Novak sich als sympathischer Mensch auf die Seite der zu Verhörenden gestellt hatte, um ihr »zu helfen«.
Bei Nishikawa hatte es nicht funktioniert.
Novak winkte Baumgarten auf die halb dunkle Treppe, wo es etwas kühler war. Er setzte ihm kurz die Lage auseinander. Nishikawas
Kollegen im Meeresforschungsinstitut waren nicht zur Zusammenarbeit bereit. Zum Glück arbeitete in ihrer Abteilung eine Amerikanerin
von der Cornell-Universität. Sie kannte Nishikawa nicht sonderlich gut, aber trotzdem hatte sie helfen können, ein etwas schärferes
Bild ihrer Kollegin zu zeichnen. Dazu gehörten ein paar interessante Details, über die das Analyseteam in Washington noch
mehr wissen wollte.
»Wir konzentrieren uns zuerst auf den DN S-Code von Latimeria«, flüsterte Novak. »Darauf ist die Frau zwanghaft fixiert.«
»Ich werde es mit dem Pontifex probieren.«
»Ist er zuverlässig?«
»Ja, wenn die Fragen exakt genug sind.«
Novak ging die Treppe hinauf, Baumgarten folgte ihm keuchend. Im Wohnzimmer waren die Vorhänge zugezogen, aber durch die Schlitze
sickerte genug Licht, um arbeiten zu können.
Perry saß im verschwitzten T-Shirt vor seinem Laptop und druckte monotone Buchstaben- und Ziffernfolgen aus, die von den DARP A-Biologen interpretiert und zurückgeschickt worden waren.
Novak sah ihm schweigend über die Schulter. Mit dem DN S-Code musste es etwas Besonderes auf sich haben. Falls Isama Nishikawa etwas versteckt hatte und eine Botschaft über die Lage des
Verstecks hinterlassen wollte, was wäre für die Tarnung der Botschaft dann besser geeignet als eine lange Buchstabenfolge? |309| Die DN S-Sequenz tauchte ja sogar auf Isama Nishikawas Grabmal wieder auf. Dort stand auch ein Gedicht, mit dem sich das Analyseteam gerade
beschäftigte.
Die Nishikawa-Spur war vielversprechend. Die fünf anderen Teilnehmer des Latimeria-Kongresses von Marburg waren vernommen
worden, und man hatte von allen konvergierende Aussagen bekommen: Nach dem Kongress hatten sich ihnen ein paar Männer mit
unverhohlener Grobheit genähert und sie nach Isama und Yoshima Nishikawa befragt. Niemand hatte geantwortet.
Baumgarten nahm den Aluminiumkoffer. »Dave, ihr müsst euch bei der DARPA noch einmal ernsthaft mit der praxisorientierten
Weiterentwicklung dieses Apparates beschäftigen. Schließ ihn an und sorg für die richtigen Einstellungen«, bat Baumgarten.
Perry stand auf und folgte Baumgarten in den Keller. Der »Pontifex« war ein Lügendetektor der dritten Generation, den DARPA
zusammen mit der Wissenschafts- und Technologieabteilung der CIA entwickelt hatte. Irgendein Schlauberger hatte dem Ding den
Namen Pontifex gegeben. Das war Latein, bedeutete wörtlich Brückenbauer und bezeichnete einen Oberpriester.
»Wie lange braucht ihr für die Vorbereitung?«, rief Novak von oben.
»Zehn Minuten«, antwortete Baumgarten.
Novak klappte seinen Laptop auf und speiste alles in die Datenbank ein, was er aus Nishikawas Kollegen und beim Besuch ihrer
Wohnung herausbekommen
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