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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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so viele mehr. Und das alles kostet.«
    Das Gleiche galt für Spiele und PlayStation und alle möglichen anderen Sachen, aber er wollte keine Predigt anstimmen. Kinder
     waren unersättlich, das hatte er vor langer Zeit schon gelernt. Oder war es so, dass im Menschen ein Gen für Wünsche und Konsum
     saß, das die Erwachsenen mehr oder weniger zu verbergen versuchten, während die Kinder noch nicht so taten, als wären sie
     zufrieden? Ein stärkerer Motor, ein größeres Haus, ein kleineres Handy, ein flacherer Bildschirm   ... Das Konsum-Gen eroberte mit unausweichlicher Macht den gesamten Planeten. Aus der Tiefe ihres Herzens entwickelten Wissenschaftler
     und Marketingleute immer bessere Objekte des Konsums für |116| eine immer größere kaufkräftige Masse. Aaro war in der Umklammerung dieser Kräfte hilflos, es hatte keinen Sinn, ihm Vorwürfe
     zu machen, wenn er immer mehr und immer bessere Sachen haben wollte.
    »Du hast versprochen, dass wir uns einen neuen Rechner anschaffen, wenn wir   ...«
    »Es eilt nicht«, wiederholte Timo barsch.
    Aaro verstummte demonstrativ, und Timo ärgerte sich über sich selbst. Er wollte auf keinen Fall sein wie sein eigener Vater,
     der ihm auch in nüchternem Zustand oft Angst eingejagt hatte. Manchmal befürchtete Timo, er könne zu lasch werden, vor lauter
     Angst, allzu streng zu sein.
    »Aber wir können uns bei Gelegenheit ja mal ein paar Alternativen ansehen«, fuhr er versöhnlich fort.
    »Wann?«
    »Morgen zum Beispiel.«
    »Wenn du von der Arbeit kommst, sind die Geschäfte zu.«
    »Ich gehe morgen nicht zur Arbeit. Ich habe   ... einen freien Tag.«
    Aaros Miene hellte sich auf.
    »Und wir kriegen doch die nötige Verkabelung für einen DS L-Anschluss ?«, fragte er ernst.
    »Selbstverständlich. Und in die Küche kommt gleichen neben den Wasserhahn ein Cola-Hahn. Mit Tank im Keller.«
    »Das meine ich ernst.«
    »Ich auch. Ich bin sicher, dass in Amerika bald Cola-Leitungen in neue Wohngebiete gelegt werden. Die haben keine Lust mehr,
     alles aus dem Laden anzuschleppen. Aber jetzt mach mal deine Hausaufgaben«, sagte Timo und fuhr seinem Sohn durch die Haare.
    Er selbst ging ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen, ohne das Licht anzumachen. Aus der Küche drang gedämpft das
     Klappern von Geschirr herüber, weil Reija den Tisch deckte.
    Das Gefühl der Unwirklichkeit, das Timo hatte, wurde zusehends stärker. Es war eine unfassbare Vorstellung, am nächsten |117| Morgen aufzuwachen und nicht zur Arbeit zu gehen. Was sollte er morgen tun? Nächste Woche? Nächstes Jahr?
    Sein Gehalt würde er noch zwei Monate lang bekommen. Das war gar nichts. Alle Ersparnisse waren für die Anzahlung des Hauses
     draufgegangen. Am liebsten hätte er Soile in Genf angerufen und ihr alles erzählt, aber etwas hielt ihn davon ab. Als könnte
     sich die Lage über Nacht noch zum Besseren wenden.
    Stattdessen beschloss er, den Chef der SiPo anzurufen. Jetzt sofort.
    Er schaltete die Nachttischlampe ein und rief in Helsinki an, wo sich die gewohnt unfreundliche Stimme meldete.
    Timos Tonfall war nicht weniger unfreundlich, und dazu musste er sich nicht einmal zwingen. »Wird jetzt mit so harten Bandagen
     gekämpft?«
    »Was meinst du damit?«, fragte Rautio.
    »Du weißt genau, was ich damit meine. Glaubst du im Ernst, dass ich das einfach so hinnehme?«
    »Falls du auf deine Kündigung anspielst, von der hat mich Wilson heute Nachmittag in Kenntnis gesetzt«, sagte Rautio, »ich
     habe damit nichts zu tun.«
    Seine Stimme klang überzeugend, aber das war schon oft der Fall gewesen – grundlos.
    »Du lügst.«
    »Es ist mir völlig gleichgültig, was du glaubst.«
    »Was hat Wilson als Grund genannt?«
    »Misstrauen.«
    Allmählich begann Timo, Rautio zu glauben. Vielleicht doch die Fälschung des Archivformulars? Aber warum hatte Wilson das
     dann nicht zugegeben?
    »Wie seid ihr mit dem Material aus der Seine weitergekommen?«, fragte Timo giftig.
    »Langsam, aber sicher. Wenn du glaubst, hier würde ohne dich nichts vorwärts gehen, täuschst du dich.«
    Timo legte auf und warf sich wieder aufs Bett.
    |118| Vorsichtig ging die Tür auf, und Aaro spähte ins Zimmer. »Bist du krank?«
    »Nein. Ich ruhe mich nur aus. Mach die Tür zu, ich will einen Moment allein sein.«
    Aaro schloss gehorsam die Tür. Wäre der Grund für den Rauswurf das gefälschte Archivformular gewesen, hätte Wilson das auf
     jeden Fall gesagt, da war sich Timo sicher. Was hatte dieses

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