Das Hiroshima-Tor
hatte, obwohl er dessen Antwort
schon kannte. Der Kauf war nicht mehr rückgängig zu machen.
Kurz darauf klingelte sein Handy. Blomberg rief aus Helsinki an, offenbar in Unkenntnis dessen, dass Timo jetzt mit |124| SiPo und KRP ebenso wenig zu tun hatte wie jeder x-beliebige Finne.
»Hier ist der Teufel los«, sagte Blomberg, ohne seine Erregung verbergen zu können. »Sie haben in dem Ingenieurbüro, das an
der Geländeerschließung für das dritte Kraftwerk beteiligt war, an den Bodenuntersuchungen herumgefingert.«
»Und weiter?«, fragte Timo, ein wenig erleichtert. Er hatte mit Schlimmerem gerechnet.
»Kapierst du nicht? Die Berechnung, das gesamte Fundament – kann sein, dass die ganze Kiste im Arsch ist.«
Allmählich dämmerte Timo, was das zu bedeuten hatte. »Kann sein, muss aber nicht unbedingt.«
»Eben. Es ist vollkommen egal, ob Informationen, die sie in den Fingern hatten, kritisch sind oder nicht. Es reicht, dass
sie es sein könnten. Bei dem Fundament eines Kernreaktors darf man nicht das geringste Risiko eingehen. Die zweite schlechte
Nachricht: Es ist etwas über die Anschläge an die Boulevardpresse durchgesickert, an ›Ilta-Sanomat‹. Das Blatt hat drei Redakteure
auf die Geschichte angesetzt. Aber einen kleinen Fortschritt haben wir auch zu verzeichnen. Der Betonfacharbeiter Joni Mastomäki
ist an zwei aufeinander folgenden Tagen ohne Angabe von Gründen nicht zur Arbeit erschienen. Er wurde routinemäßig schon letzte
Woche vernommen, weil er auf der Liste, die wir von den Subunternehmen bekommen haben, als neuer Mitarbeiter aufgeführt war.
Als wir ihn heute Morgen unter der angegebenen Adresse aufsuchen wollten, stellte sich heraus, dass er dort überhaupt nicht
wohnt. Jetzt wird nach ihm gefahndet.«
»Besteht eine Verbindung zu Heli Larva?«
»Nicht direkt. Aber das Ingenieurbüro in Tampere hat die Bodenuntersuchungen im Auftrag einer deutschen Firma durchgeführt,
weshalb die Geschichte von Finnland und Deutschland aus unter die Lupe genommen werden muss.«
»Das kann mich nicht erschüttern«, meinte Timo.
»Hast du eine Ahnung, wie viel Zeit und Geld das bei einem so riesigen Projekt kostet?«
|125| »Nichts könnte mich weniger interessieren.«
»Sag mal: Was ist eigentlich los mit dir?«
Timo schwieg eine Sekunde. »Ich bin bei der TERA rausgeflogen.«
»Du bist was?«
»Frag Rautio. Er darf die Verbindung nach Deutschland jetzt so untersuchen, wie er es für richtig hält. Mein Nachfolger wird
sicherlich bald aus Helsinki in Brüssel eintreffen. Bis bald.«
Mit einem Kloß im Hals beendete Timo das Gespräch. Einerseits hätte er gern mehr über die jüngste Kraftprobe der Aktivisten
gehört, andererseits interessierte er sich dafür nur noch im Hinblick auf Heli Larva. Plötzlich fühlte er sich auf ähnliche
Weise außen vor wie Heli sich in Bezug auf die akademische Wissenschaftsgemeinde.
Timo verließ die Wohnung und ging zur Straßenbahnhaltestelle. Er hatte beschlossen, noch einmal das Gespräch mit Wilson zu
suchen, um ihm wichtige Informationen zu entlocken – und um eine Art von Zeugnis zu bekommen. Wenn er sich für eine neue Stelle
bewerben wollte, war das unumgänglich.
Der Morgen war klar, ein milder Wind trieb Wolken vor sich her, hinter denen immer wieder die Sonne zum Vorschein kam. Es
war ein gewöhnlicher Tag, aber in Timos Augen wirkte alles aufgeladen und bedeutungsvoll. Die vertraute Gegend sah plötzlich
anders aus als zuvor. Er war wegen seiner Arbeit nach Brüssel gezogen, und jetzt, da er keine Arbeit mehr hatte, veränderte
sich sein Verhältnis zu der Stadt auf einen Schlag radikal. Inwiefern, darüber musste er sich selbst erst noch Klarheit verschaffen.
Wie auf Bestellung rumpelte die Straßenbahn, verziert mit einem Ice-Tea-Reklameband, an die Haltestelle, und Timo musste einen
Spurt einlegen, um sie zu erreichen. Die Tatsache, dass er dabei außer Atem geriet, erinnerte ihn an die mehreren Kilo Übergewicht
und an die zu langen Arbeitstage, die ein guter Vorwand gewesen waren, keinen Sport zu treiben. Jetzt gab es auch diesen Vorwand
nicht mehr.
|126| Er blieb in der Mitte des Straßenbahnwagens stehen, in der Nähe des Gelenks. Unmittelbar gegenüber stand eine dunkelhaarige
Frau, die Heli Larva verblüffend ähnelte.
Sie schien seinen Blick zu spüren und änderte ihre Position. Timo blickte rasch aus dem Fenster. An der Ecke von Couronne
und Rodin fiel sein Blick auf ein
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