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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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quer schossen die Gedanken ihm durch den Kopf, und er hatte das Gefühl, sich
     selbst von außen zu betrachten. Draußen gähnten schwarz die Teiche von Woluwe, im Radio lief gedämpft ein Schlager in flämischer
     Sprache.
    Girault wartete bereits im Café. Er hatte einen Milchkaffee vor sich. Timo sah ihm fest in die Augen. Ein wachsamer, forschender
     Blick lag darin.
    »Was ist passiert?«, fragte Girault. »Hat Wilson gesagt, warum du rausfliegst?«
    »Nein. Aber ich weiß es. Ich war in Helsinki zu direkt. Ich habe mich ohne Vollmacht von TERA auf das Terrain der Sicherheitspolizei
     begeben. Und wenn wir in unserem eigenen Land nicht mehr kreditwürdig sind, ist es auch mit unserem Job bei TERA vorbei.«
    Girault nickte. Alle TER A-Mitarbeiter mussten immer wieder zwischen zwei Organisationen balancieren. Obwohl nach den Bombenanschlägen von Madrid und London mehr
     Wert auf den Informationsfluss zwischen den verschiedenen Geheimdiensten gelegt wurde, war man in der Branche schon aus alter
     Gewohnheit eifersüchtig auf die Resultate der anderen.
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Ich werde mir hier einen Job suchen.« Timos tiefe Stimme war heiser und farblos. »Letzte Woche habe ich ein Haus in Auderghem
     gekauft.«
    Das aufblitzende Mitgefühl im Gesicht des Franzosen vermittelte Timo kurz ein Gefühl von Wärme. Vielleicht war das Personal
     der TERA doch nicht so gleichgültig, wie es manchmal den Anschein hatte.
    Mit wenigen Sätzen berichtete Timo von den Ereignissen der |113| vergangenen Tage, allerdings selektiv. In der Welt der Nachrichtendienste gab man nur so viel Information preis, wie man für
     nötig hielt, und nie alles, was man wusste.
    Girault hörte zu, bis Timo schwieg. Der Kellner kam an den Tisch, aber Timo gab ihm ein Zeichen, zu verschwinden.
    »Was wolltest du mir heute über die Verifizierung des Seine-Materials sagen?«, fragte Timo leise.
    Der Franzose blieb stumm, sekundenlang. Hatte man ihm verboten, mit Timo über das Thema zu sprechen?
    »Du arbeitest nicht mehr für TERA«, sagte Girault schließlich etwas gequält. »Aber das ist mir noch nicht offiziell mitgeteilt
     worden. Ich wollte sagen, dass die Amerikaner aus irgendwelchen Gründen etwas vertuschen. Sie hätten einen Bericht liefern
     sollen, wie es in der Angelegenheit weitergegangen ist, aber es kam nichts. Als ich nachfragte, gab man mir unmissverständlich
     zu verstehen, dass die ganze Angelegenheit für uns nicht von Belang sei.«
    »Was steckt deiner Meinung nach dahinter?«
    Girault dachte einen Moment nach, dann sagte er langsam: »Ich bin sicher, dass über den Mord an der Frau und alles weitere
     aus einem wichtigen Grund geschwiegen wird.«
    »In Finnland gibt es das gleiche Problem, aber aus anderen Gründen. Ich werde mich trotzdem darum kümmern, dass weiter ermittelt
     wird. Falls in dem Seine-Fall Informationen durchsickern – würdest du mir davon berichten?«
    »Na klar.«
    Wäre Timo gerade erst nach Brüssel gezogen, wäre er jetzt zufrieden und zuversichtlich gewesen. Aber er war lange genug in
     der Stadt, um solche Aussagen richtig deuten zu können. Er würde kein Wort über den Fall erfahren.
    »Gut«, sagte Timo. »Danke. Ich muss gehen.«
    Der Franzose stand auf, und sie schüttelten sich die Hand. Beide gaben der Geste den Anstrich eines alltäglichen Abschieds,
     aber in Wahrheit sagten sie sich für immer Lebewohl, und das wussten sie.
    |114| Timo spürte, wie seine Müdigkeit in Rührung umschlagen wollte, und Girault schien das zu ahnen. Er legte ihm die Hand auf
     die Schulter. »Kopf hoch, Timo. Und melde dich, wenn du Hilfe brauchst.«
    Ob Phrase oder nicht, Timo war für diesen Satz fast lachhaft dankbar.

|115| 17
    Timo versuchte sich zu Hause so normal wie möglich zu benehmen. Noch wollte er nichts von seinem Rausschmiss sagen. Hoffte
     er noch auf eine wunderbare Wendung, mit der die Kündigung rückgängig gemacht würde?
    Aaro kam mit einer Kopie des Grundrisses vom Haus in Auderghem an, auf der er zusätzliche Eintragungen vorgenommen hatte.
     »Ich habe die Einrichtung meines Zimmers geplant.«
    Timo setzte eine interessierte Miene auf. »Gut. Was ist das hier?«
    »Der Computertisch.«
    »Ich hab doch gesagt, der Computer kommt ins Gästezimmer. Zum allgemeinen Gebrauch.«
    »Wann sehen wir uns denn nach einem neuen Rechner um?«
    »Ich weiß nicht. Das hat keine Eile. Jetzt müssen es so und so viele Gigas und Hertz sein, und wenn du ihn hast, braucht man
     wieder so und

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