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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und das Atmen fiel ihm
     schwer. Langsam ging er zu den Aufzügen, der Wachmann folgte ihm dicht auf den Fersen.
    »Timo, warte!«, rief Victor Girault, der eilig aus einem Aufzug kam. »Du wolltest etwas über die Verifizierung des Seine-Materials
     hören   ...«
    Timo warf einen kurzen Blick auf den Wachmann, dessen Miene keinen Spielraum für Interpretationen erkennen ließ.
    »Ich muss gehen, Victor«, sagte Timo heiser und merkte, wie seine Stimme zitterte. Er wollte sich von niemandem verabschieden
     und niemandem etwas erklären.
    Sie fuhren eine Etage nach unten und gingen in Timos Büro. Der Computerbildschirm war schwarz, jemand hatte ihn ausgeschaltet |110| . Mit schweißnassen Fingern griff Timo nach dem Foto von Soile und Aaro und legte es mit anderen persönlichen Dingen in seine
     Aktentasche. Das Herz pochte ihm in den Ohren. 285000.
    Das war die Kreditsumme. 285000   Euro, die zurückbezahlt werden mussten, ganz gleich, ob er Arbeit hatte oder nicht.
    Er musste den Kauf rückgängig machen. Aber dann würde er die Anzahlung verlieren. 30   000   Euro. Sämtliche Ersparnisse, der Gewinn aller Autoverkäufe, hätten sich damit in Luft aufgelöst.
    Er musste sich auf den Schreibtischstuhl setzen, ein letztes Mal. Ihm war schlecht, am liebsten hätte er sich auf der Stelle
     übergeben mögen.
    Er holte tief Luft und zwang sich zur Ruhe. Es gab noch eine andere Möglichkeit: sich einen neuen Arbeitsplatz in Brüssel
     suchen. Aber was für einen? Und wo? Einen Job mit ähnlich gutem Gehalt würde er nicht so leicht finden. Und mit einem Antiquitätenladen
     bezahlte man so einen Kredit nicht ab.
    Der Wachmann wurde ungeduldig.
    Timo sammelte die restlichen persönlichen Dinge ein und stand auf. Er fühlte sich wie ein Verbrecher, der bewacht werden musste.
    Eine Stunde später saß er in der Nähe der Rue Washington auf einer Bank im Tenbosch-Park und spielte mit den Schnallen seiner
     Tasche. Vom Spielplatz drangen fröhliche Rufe zu ihm herüber. Es wurde Abend, die Parkwächter machten sich bereit, die schmiedeeisernen
     Tore zu schließen.
    Hätte er die Kündigung besser verdauen können, wenn sie nicht so aus heiterem Himmel gekommen wäre? Wohl kaum. Am schlimmsten
     war, dass er sich über den Grund des Rausschmisses nicht sicher war.
    Er nahm sein Telefon zur Hand, suchte mit etwas unsicheren Fingern im Speicher nach der Nummer von Heidi Klötz und rief sie
     an. In den altmodischen Laternen wurden die Lichter eingeschaltet.
    |111| »Heidi   ... hier   ... hier ist Timo«, stotterte er. »Könntest du mir die Nummer von Victor Girault geben?«
    Man hörte das Rascheln von Papier. Heidi gab ihm die Nummer, und Timo schrieb sie auf einen Zettel.
    »Hast du noch nichts über mich gehört?«, fragte er.
    »Wovon redest du?«
    »Ich bin gerade gefeuert worden.«
    »Was sagst du da?«
    Ein Parkwächter blies in seine Trillerpfeife, und Timo stand auf. »Ich dachte, das würde allen mitgeteilt werden.«
    »Ich war den ganzen Nachmittag in der Botschaft. Was ist passiert?«
    »Ich bin jemandem in Helsinki auf den großen Zeh getreten. Auf den ganz großen. Und ein bisschen zu heftig.«
    »Dein Arbeitgeber ist TERA.   Von Helsinki aus können sie dich nicht rauswerfen lassen.«
    »Ach nein?«, fragte Timo sarkastisch. »Wenn du wüsstest, was Finnland für ein kleiner Sandkasten ist.«
    »Und was ist der offizielle Grund?«
    »Hat Wilson nicht gesagt. Halt morgen mal die Ohren offen. Es sind bestimmt Gerüchte im Umlauf.«
    »Aber du musst doch wissen, warum man dir gekündigt hat!«
    »Ich ruf dich morgen an.«
    Timo ging mit den anderen Leuten zum Tor hinaus und blieb auf dem kleinen Platz stehen, der von schwarzen gusseisernen Laternen
     erleuchtet wurde. Er wählte die Nummer von Victor Girault. Den Hintergrundgeräuschen nach befand sich dieser gerade in einer
     Metrostation.
    »Könnten wir uns kurz treffen?«, fragte Timo. »Jetzt sofort.«
    »Was ist passiert? Ich habe gerade das Gerücht gehört, sie hätten dir gekündigt.«
    »Können wir uns treffen?«
    »Ich bin auf dem Weg nach Hause: nach Stockel.«
    Girault schlug ein Café am Marktplatz von Stockel vor, und |112| Timo machte sich sofort auf den Weg. Er ging an der Haustür seiner Wohnung vorbei zum Wagen. In den Fenstern brannte bereits
     Licht. Aaro und Reija waren zu Hause.
    Timo hatte ständig Schuldgefühle, weil er so selten daheim war. Das immerhin würde sich jetzt ändern.
    Er ließ den Wagen an und fuhr los. Kreuz und

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