Das Hiroshima-Tor
»Misstrauen« zu bedeuten? Wer misstraute ihm? Die Amerikaner?
Musste ein TER A-Mitarbeiter auch die in Betracht ziehen?
Timo stand auf und nahm die Kopien zur Hand, die er auf eigene Faust von dem TER A-Material gemacht hatte. Er setzte sich auf den Bettrand und sah sie sich noch einmal genau an.
Dann nahm er ein leeres Blatt Papier und schrieb sich einige Schlüsselwörter auf. Damit ging er in Aaros Zimmer.
»Könntest du mir eine Internetverbindung herstellen und dann im Wohnzimmer ein bisschen fernsehen?«
Aaro sah ihn ehrlich besorgt an. »Du musst wirklich krank sein, wenn du mir befiehlst, fernzusehen.«
Timo zwang sich zu einem Lächeln.
Als Bildschirmschoner tickte das
SETI@home-
Programm, das sich Aaro und Soile, wie Millionen andere auch, aus dem Internet heruntergeladen hatten. Ohne den Benutzer zu
stören, analysierte es Daten aus dem All, die mit dem Radioteleskop empfangen wurden, in der Hoffnung, Hinweise auf intelligentes
Leben zu entdecken. Auf dem Festplattenlaufwerk klebte eine finnische Flagge und das alte Seehund-Logo von
Silja Line
.
»Klappt’s?«, fragte Timo ungeduldig, während Aaro das Modem öffnete.
»Das ist wohl ein Witz«, schnaubte Aaro. »Wir brauchen unbedingt eine DS L-Verbindung .«
Timo sparte sich eine Antwort. Er befürchtete, Aaro würde jeden Abend im Netz hängen, wenn man nicht mehr auf die Telefonkosten
verweisen konnte.
»Was ist das denn?«, fragte Timo und merkte, dass er auf zu |119| durchsichtige Weise das Thema gewechselt hatte. Im Zuge der SET I-Begeisterung war ein neues Plakat an der Wand aufgetaucht. Es zeigte eine große Konstruktion, die in hügeligem, üppigem Gelände stand.
»Das Radioteleskop von Arecibo in Puerto Rico. Die größte Parabolantenne der Welt, Durchmesser 300 Meter«, sagte Aaro so stolz, als wäre er der Besitzer. »Damit werden die Signale empfangen, die über SETI auf die Privat-PCs
verteilt werden.«
»Interessant. Hast du die Verbindung?«
»Es ist besetzt.«
Timo hatte den Verdacht, dass Aaro den Vorgang bewusst verzögerte, um den Druck hinsichtlich der Anschaffung einer DS L-Verbindung zu erhöhen.
»Mit demselben Radioteleskop wurde übrigens auch ein Signal ins All geschickt mit der Botschaft: ›Hey, hier ist Leben‹«, sagte
Aaro und machte eine Kopfbewegung in Richtung Poster. Timo hörte aus Aaros Worten Soiles Stimme heraus. Versuchte sie, den
Jungen zum Nobelpreisträger zu machen?
»Das war in der Geschichte der Menschheit die erste bewusst ins All geschickte Botschaft an andere Zivilisationen«, fuhr Aaro
altklug fort, während die Modemgeräusche aus dem Lautsprecher drangen. »Oder die zweite, wenn man die Platte mit den eingravierten
Basisdaten der Menschheit dazurechnet, die mit
Pioneer
hochgeschickt wurde. Die gondelt in einer Milliarde Kilometer Entfernung noch immer durchs Universum.«
»Was war das für eine Botschaft, die mit dem Radioteleskop gesendet wurde?«, fragte Timo und nahm vor dem Computer Platz.
Er hätte sich mit Aaro so gern über Geschichte unterhalten, aber der Junge war mehr an Soiles Themen interessiert. Vielleicht
waren die im Hinblick auf die Zukunft auch nützlicher, dachte Timo.
»Ein Radioimpuls von drei Sekunden. Stark. Für fremde, die ihre Ohren in unsere Richtung aufsperren, ist er zehn Millionen
mal stärker als ein von der Sonne geschickter Impuls. Wenn jemand die Botschaft aufnimmt und auf Papier überträgt, kriegt
er dieses Schema raus.«
|120| Aaro schnappte sich einen Stift, und Timo wollte ihn jetzt nicht unterbrechen, obwohl die Internetverbindung endlich stand.
»Es enthält in Binärform die Zahlen von eins bis zehn. So.« Aaro zeichnete schwarze Quadrate aufs Papier. »Und die Atommasse
von Wasserstoff, Kohlenstoff und ein paar anderen wichtigen Stoffen. Außerdem natürlich die Doppelhelix der DNS. Und die Sonne. Der von ihr aus gesehen dritte Planet ist gegenüber den anderen hervorgehoben. Daneben ist ein Strichmännchen
abgebildet ...«
»Und wenn das eine bösartige Zivilisation in Empfang nimmt?«, fragte Timo und griff nach der Maus. »Wäre es nicht klüger,
hier einfach in aller Stille ...«
»Ja, ja, diese Kritik hat es gegeben. Aber das Verschicken der Botschaft ist eine symbolische Geste, man geht nicht davon
aus, dass sie von jemandem empfangen wird, hat Mama gesagt. Außerdem fließen von der Erde ständig Radiosignale ins All. Wenn
irgendwo ein Humanoide Lust hat, kann er sich zum Beispiel
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