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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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aufgereiht.
    |173| Der Vater zog die Tagesdecke auf dem Bett glatt. Timo konnte den Blick nicht davon losreißen: Es war dieselbe Decke, die vor
     dreißig Jahren bei ihnen zu Hause über dem Bett gelegen hatte.
    »Warum bist du gekommen?«, fragte der Vater erneut, nun etwas freundlicher als auf der Treppe.
    Timo setzte sich auf den Bettrand. Eine andere Sitzgelegenheit gab es in dem engen Raum nicht. Der Vater blieb stehen.
    »Ich habe erfahren, dass hinter deinem Urteil etwas anderes steckt, als man damals zu verstehen gegeben hat.«
    Das Gesicht des Vaters blieb ausdruckslos. »Ich will darüber nicht reden.«
    »Noch immer nicht?«
    »Was würde das ändern?«, fragte der Vater lauter als nötig zurück.
    Bevor Timo etwas entgegnen konnte, brüllte der Alte: »Hörst du? Was würde das ändern?«
    Timo war unbehaglich zumute. An sich war das eine gute Frage. Erst in dem Moment fiel ihm das Bild an der Wand auf, das ihn
     als Fünfjährigen auf dem Schoß seines Vaters zeigte – mit bestickter Weste, an Weihnachten. Der Vater auf dem Foto war ungefähr
     so alt wie Timo jetzt.
    Sein Vater sah, in welche Richtung er blickte. »Was glotzt du so? Auf dein eigenes Bild? Bist du gekommen, um Mitleid einzuheimsen
     – oder um welches zu spendieren?«
    Mit einem Satz war der Vater bei dem Bild, nahm es von der Wand und warf es so heftig zu Boden, dass die Scherben flogen.
     »Du und deine Mutter, ihr habt geglaubt, ihr wärt was Besseres als ich!«
    Timo stand auf und ging zur Tür.
    »Geh nicht«, sagte der Vater und ergriff Timos Arm. »Entschuldige«, fügte er mit brüchiger Stimme hinzu.
    Timo legte ihm den Arm um die Schultern.
    »Ich bin ein bisschen durcheinander, weil du so plötzlich hier aufgetaucht bist«, sagte der Vater.
    »Das kann ich verstehen«, flüsterte Timo.

|174| 24
    Der Zug näherte sich Cambridge, und Timos Anspannung wuchs. Er warf die leere Sandwichpackung in den Abfalleimer und trank
     einen Schluck Wasser aus der Flasche.
    Pausenlos kreiste der Besuch bei seinem Vater in seinem Kopf. Es bereitete ihm ein schlechtes Gewissen, den alten Mann in
     seinem elenden Verschlag zurückzulassen. Am erbärmlichsten war, dass Paavo Nortamo sich selbst für seine Lage so geschämt
     hatte. Er war nicht bereit gewesen, über sein Urteil zu sprechen, und auch sonst hatte er kaum etwas gesagt. Nicht einmal
     für Aaro hatte er Interesse gezeigt. Timo fragte sich, was Aaro wohl über seinen Großvater denken mochte.
    Draußen neigte sich ein bewölkter Nachmittag dem Abend zu. In den Sprossenfenstern der vorüberhuschenden Häuser brannte warmes,
     gelbes Licht. Timo musste sich eingestehen, dass ihm seine Aufgabe zu einer stark persönlich gefärbten Mission zu werden drohte.
     Er war bereit, unermüdlich dafür zu arbeiten, dass die Echtheit des Seine-Materials bewiesen werden konnte, damit Rautio gezwungen
     war, offizielle Vorermittlungen in die Wege zu leiten. Das wiederum bedeutete, dass er gegen den Willen der Amerikaner handeln
     musste, trotz aller Drohungen.
    Cambridge war nur gut eine halbe Zugstunde von Stansted entfernt, weshalb er vor dem Vorstellungsgespräch bei der Sicherheitsfirma
     in London einen Abstecher dorthin machen konnte. Erst am Abend hatte er Soile erreicht. Er hatte beschlossen, ihr, wenn nötig,
     genauer zu erzählen, was er mit Heli Larva zu tun hatte. Damit würde er das Schweigegebot brechen, aber |175| darauf kam es nun auch nicht mehr an. Alles war jetzt eine Frage der Priorität.
    Vorläufig hatte er Soile nur von dem Ärger auf der Baustelle von Olkiluoto erzählt, und dass geklärt werden müsse, inwieweit
     Heli daran beteiligt gewesen war. Soile hatte einen kooperativeren Eindruck gemacht als beim ersten Telefonat, sie hatte beinahe
     übermäßig verständnisvoll geklungen. Aber ihr Unterton hatte Timo fast mehr beunruhigt als ihr ursprünglicher Zorn. Sie war
     nicht sie selbst gewesen. Am liebsten hätte er offen geredet und gefragt, ob sie einen anderen Mann hatte, aber über so etwas
     sprach man besser nicht am Telefon.
    Der Zug rollte in den Bahnhof von Cambridge ein. Timo stopfte das Buch von Vaucher-Langston in seine Tasche und legte sich
     eine Taktik für Daniel Croës zurecht. Die beiden Männer mussten ein enges Verhältnis gehabt haben, denn der Professor bedankte
     sich im Vorwort zu seinem Buch bei einem halben Dutzend Personen, darunter auch Croës.
    Timo nahm am Bahnhofsvorplatz ein Taxi zum Trinity College, einem friedlichen Ort aus

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