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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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juristische Fachkompetenz ihres Referenten zur Verfügung gestanden.
     Und der hieß Pauli Rautio.
    Wenn es nach Timo ging, würde das Material aus der Seine nicht in der Versenkung verschwinden. Aber bevor das Material Beweiskraft
     besaß, musste seine Authentizität bewiesen werden.
    Timo bog auf einen matschigen Weg durchs Gras ab. Die Umgebung vertiefte seine Anspannung noch, die von Sekunde zu Sekunde
     zu veritabler Angst anschwoll. Auf einmal war er sich überhaupt nicht mehr sicher, ob er seinen Vater sehen wollte.
    Vor den Brettern der Eingangstreppe blieb er stehen. Neben der Baracke stand ein schiefes Klohäuschen, dessen Geruch einem
     schon von weitem entgegenschlug.
    Timos Handy klingelte. Er sah aufs Display. Es war Soile.
    »Hallo«, sagte sie. »Wie geht’s?«
    Etwas in ihrer Stimme war seltsam.
    »Ich kann jetzt gerade schlecht reden, lass uns später telefonieren.«
    »Entschuldige, wenn ich störe.« Soile klang aggressiv. »Wo bist du?«
    |171| »Beruflich unterwegs.«
    »Bei Heli Larva?«
    Timo holte tief Luft. »Nein. Das ist eine manipulierte Aufnahme   ...«
    »Was soll denn daran manipuliert sein? Hat die Larva vielleicht Silikontitten?«
    Dann legte Soile auf.
    Timo fluchte laut vor sich hin und wählte die Nummer seiner Frau.
    »Was willst du noch?«, fragte Soile. »Wirst du sie wiedersehen?«
    »Das weiß ich nicht. Möglicherweise«, antwortete Timo ruhig und gefasst. »Wie gesagt, du kannst einen fanatischen Menschen
     nicht   ...«
    »Hör auf! Ich bin doch nicht blöd. Tu, was du tun musst. So mache ich es auch.«
    Der letzte Satz gefiel Timo überhaupt nicht. Er hatte sich nicht einmal selbst eingestehen wollen, dass er Soile wegen ihres
     abweisenden Verhaltens in letzter Zeit verdächtigte. Aber falls sie wirklich etwas mit Patrick Saari laufen hatte, würde die
     Mail von Heli nicht gerade zur Entspannung der Lage beigetragen haben.
    Er schaltete das Telefon aus, nahm allen Mut zusammen und klopfte an Paavo Nortamos Tür.
    Keine Reaktion.
    Er klopfte erneut, nun etwas lauter.
    »Wer macht da so einen Krach?«, rief eine raue Stimme.
    Dann näherten sich Schritte, und die Tür ging auf. Sofort wehte Timo ein so stechender Geruch von Schnaps, Ungewaschenheit
     und Einsamkeit entgegen, dass ihm schlecht wurde.
    Er blickte in ein aufgedunsenes, rotes Gesicht, über das violette Äderchen liefen. Die Augäpfel hinter den triefenden, hängenden
     Lidern waren gelblich, aber der Blick war scharf, beinahe hart.
    »Was willst du?«
    Timos Herz hämmerte. Zuerst glaubte er, sein Vater wollte |172| besonders unfreundlich zu ihm sein, da sah er an dessen Miene, dass er ihn gar nicht erkannte.
    Timo räusperte sich. »Erkennst du mich nicht?«
    Der Vater kniff die Augen zusammen und fixierte ihn. Schließlich schien er zu begreifen.
    Rasch fuhr sich der Alte durch die Haare, als wollte er seine fettigen Strähnen irgendwie in Ordnung bringen. Ganz im Gegensatz
     zu seiner Haut wirkte das dichte Haar fast vital, wie das eines zwanzig Jahre jüngeren Menschen.
    »Was machst du denn hier?«, fragte er etwas leiser, aber kein bisschen freundlicher. Dann sah er plötzlich an Timo vorbei
     auf die Straße. »Du hast doch nicht die alte Kuh mitgebracht?«
    Dieser Satz erwischte Timo schlimmer als der Fausthieb, den er von seinem Vater als Kind einmal bekommen hatte.
    »Nein«, sagte er leise. »Ich bin alleine gekommen.«
    Pochende Stille trat ein.
    »Warum?«, wollte sein Vater wissen. Dabei zog er sich die Hosen hoch, die kurz vorm Auseinanderfallen waren. Wahrscheinlich
     hatte er damit schon die harten Stühle der SiPo abgewetzt.
    »Könnten wir vielleicht drinnen weiterreden?«
    »Haben wir was zu reden?«, versuchte der Vater ihn abzuwimmeln, aber am Ende brach ihm die Stimme.
    Timo schluckte. »Vielleicht.«
    »Ich hab nicht mit Besuch gerechnet«, sagte der Vater und setzte hinzu: »Nicht heute.«
    Das war eine überflüssige Anmerkung, denn man sah, dass ihn nie jemand besuchte. »Ich meine, ich hab nicht aufgeräumt.«
    »Das macht nichts.« Timo ging die Stufen hinauf. Sein Vater drehte sich widerwillig um und ging schlurfend hinein.
    Der Geruch bohrte sich durch Timos Nasenlöcher bis in den Magen hinein. Dabei überraschte ihn die Sauberkeit des Raumes. Er
     verstand nicht, wo der Gestank herkam. Auf dem Boden lag ein Flickenteppich, und neben der Kochplatte, die als Küche diente,
     stand eine Emailleschüssel mit ein paar umgedrehten Geschirrteilen, alle sorgfältig

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