Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
wolle und viele Leute gar keine Ahnung hätten, wie intellektuell sie eigentlich ist. Im Studium sei sie sogar mal für einen Preis vorgeschlagen worden, ob ich das eigentlich wüsste? (Ja, wusste ich schon: Sie hat es erwähnt, kurz nachdem sie sich von Jamie getrennt hatte.)
Schließlich wird sie immer stiller. Ich halte die Luft an. Es könnte sein, dass wir langsam zum Kern der Sache vordringen.
»Ach, übrigens: Richard und ich sind nicht mehr zusammen«, sagt sie leichthin.
»Ach, wirklich?« Ich passe mich ihrem Ton an. Wir könnten uns auch über eine unbedeutende Nebenhandlung der EastEnders unterhalten.
»Ja, wir haben uns getrennt.«
»Ach.«
»Ging nicht mehr.«
»Na. Das ist ja …« Mir wollen keine schmerzstillenden, einsilbigen Worte mehr einfallen. »Das ist …«
»Ja. Es ist schade.« Sie macht eine Pause. »Auf der einen Seite.«
»Stimmt. Und hat er …« Ich bewege mich auf äußerst dünnem Eis. »Ich meine, habt ihr nicht …«
Was zum Teufel ist schiefgegangen, wenn er noch vor einer Stunde dabei war, dir einen Heiratsantrag zu machen?
Ich vertraue Lotties Version der Ereignisse nicht immer. Manchmal ist sie etwas blauäugig. Manchmal sieht sie, was sie sehen will. Aber Hand aufs Herz, ich habe genauso fest damit gerechnet wie sie, dass Richard um ihre Hand anhalten würde.
Und jetzt sind sie nicht nur nicht verlobt , sondern es ist aus ? Ich bin erschüttert. Ich kenne Richard inzwischen näher, und er ist ein Guter. Der Beste, mit dem sie je zusammen war, wenn man mich fragt. (Was sie getan hat, oft genug, meist gegen Mitternacht, wenn sie einen im Tee hatte.) Er ist verlässlich, zuvorkommend, erfolgreich. Nichts Undurchsichtiges, keine Leichen im Keller. Ansehnlich, aber nicht eitel. Und er liebt sie. Was der entscheidende Punkt ist. Im Grunde der einzig wichtige Punkt. Man merkt den beiden einfach an, dass sie sich verstehen. Sie haben diese Verbindung. Wie sie miteinander reden, wie sie herumalbern, wie sie dasitzen, sein Arm immer locker um ihre Schulter gelegt, seine Finger spielen mit ihren Haaren. Wie sie auf dieselben Dinge zuzusteuern scheinen – sei es der Sushi-Laden oder Ferien in Kanada. Sie gehören zusammen. Man kann es sehen. Ich zumindest kann es.
Ich korrigiere: konnte . Warum also konnte er es nicht?
Blödmann, Vollidiot. Was genau sucht er denn eigentlich bei einer Partnerin? Was genau stimmt mit meiner Schwester nicht? Hat er Angst, dass ihm eine Romanze mit einem langbeinigen Supermodel entgeht?
Ich lasse Dampf ab, indem ich eine zusammengeknüllte Papierkugel in meinen Papierkorb knalle. Im nächsten Moment merke ich, dass ich das Papier eigentlich noch brauche. Mist.
Im Hörer ist es still. Ich spüre, wie Lotties Unglück durch die Leitung sickert. Oh Gott, ich kann es nicht ertragen. Es ist mir egal, wie empfindlich sie sein mag, ich muss noch etwas mehr wissen. Es ist doch Wahnsinn. Eben wollten sie noch heiraten, und plötzlich befinden wir uns in Phase Eins von Lotties Trennungsprozess: Geh nicht über Los, ziehe nicht zweihundert Pfund ein.
»Ich dachte, du meintest, er wollte dir eine ›große Frage‹ stellen«, sage ich so taktvoll wie möglich.
»Ja. Nun. Jetzt behauptet er was anderes«, sagt sie bemüht beiläufig. »Er meinte, es sei keine ›große Frage‹. Nur eine ›Frage‹.«
Ich verziehe das Gesicht. Das ist nicht gut. Was große Fragen angeht, ist die Auswahl beschränkt. Gelinde gesagt.
»Und worum ging es dann?«
»Offensichtlich um Flugmeilen«, sagt sie ausdruckslos.
Flugmeilen? Autsch. Ich kann mir vorstellen, wie sie das fand. Plötzlich merke ich, dass Ian Aylward an meinem Bürofenster steht. Er gestikuliert heftig. Ich weiß, was er will. Es geht um die Rede für die Preisverleihung heute Abend.
»Fertig«, sagt mein Mund lautlos, eine unverschämte Lüge, und ich zeige auf meinen Computer, um anzudeuten, dass allein die Technik die Ankunft der Rede verzögert. »Ich mail sie dir. E -mail. Ich. Dir. «
Endlich geht er weg. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr, und mein Herz schlägt schneller. Mir bleiben noch genau zehn Minuten, um Lottie tröstend zuzuhören, den Rest meiner Rede zu verfassen und mein Make-up aufzufrischen.
Nein, neuneinhalb Minuten.
Wieder kommt in mir der Groll hoch, richtet sich direkt auf Richard. Wenn er meiner Schwester schon das Herz brechen musste, konnte er sich dann nicht einen Tag aussuchen, an dem ich nicht so wahnsinnig viel zu tun habe? Eilig hole ich mir das Dokument mit
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