Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
denen sie nicht arbeiten kann, und »Fliss, wieso hast du mich nicht daran gehindert?« Und »Fliss, ich hasse dieses Tattoo!«, und »Fliss, wie kann ich damit zu meinem Hausarzt gehen? Wie peinlich! Was soll ich nur maaaachen?«
Im Stillen nenne ich diese dämlichen Nach-Trennungs-Aktionen »Unglückliche Entscheidungen«, was eine Formulierung ist, die meine Mutter gern gebrauchte, als sie noch lebte. Dazu zählte alles von ausgetretenen Schuhen, mit denen jemand bei einer feinen Dinnerparty erschien, bis hin zu der Entscheidung meines Vaters, sich mit einer südafrikanischen Schönheitskönigin zusammenzutun. »Unglückliche Entscheidung«, murmelte sie dann mit Gletscherblick, und wir Kinder erschauerten und dankten unseren Schutzengeln, dass nicht wir es waren, die »unglückliche Entscheidungen« getroffen hatten.
Ich vermisse meine Mutter nicht oft. Nur manchmal wünschte ich, es gäbe jemanden in der Familie, den ich um Hilfe bitten könnte, wenn Lotties Leben mal wieder in Scherben liegt. Mein Dad zählt nicht. Erstens lebt er in Johannesburg. Und zweitens hat er kein Interesse an irgendwas, von Pferden und Whisky mal abgesehen.
Wenn ich Lottie jetzt von einem Sabbatjahr reden höre, verlässt mich der Mut. Ich ahne, dass die nächste unglückliche Entscheidung droht. Sie lauert schon irgendwo da draußen. Mir ist, als müsste ich den Horizont absuchen, eine Hand schützend an den Augen, und nachsehen, wo der Hai auftaucht und nach ihren Füßen schnappt.
Ich wünschte, sie würde einfach fluchen und schimpfen und mit Sachen werfen. Dann könnte ich mich entspannen, sie hätte den Wahnsinn hinter sich. Als meine Ehe mit Daniel auseinanderging, habe ich zwei volle Wochen lang geflucht und getobt. Das war nicht schön. Aber wenigstens bin ich keiner Sekte beigetreten.
»Lottie …« Ich kratze mich am Kopf. »Du weißt, dass ich morgen in Urlaub fahre, für zwei Wochen?«
»Ach, ja.«
»Kommst du zurecht?«
»Selbstverständlich komme ich zurecht .« Ihr scharfer Ton ist wieder da. »Ich werde mir heute Abend eine Pizza und ein Fläschchen Wein gönnen. Das wollte ich sowieso schon lange mal.«
»Na, dann viel Spaß. Nur, dass du mir nicht deinen Schmerz ertränkst.«
Das ist noch so eine Redensart meiner Mutter. Plötzlich sehe ich sie vor mir, in ihrem knallengen weißen Hosenanzug mit grün glitzerndem Lidschatten. »Ich ertränke nur den Schmerz, meine Süßen.« Oft saß sie an der Bar in diesem Haus, das wir in Hongkong hatten, mit einem Martini in der Hand, und Lottie und ich sahen ihr dabei zu, in unseren pinken Morgenmänteln, die sie uns aus England hatte kommen lassen.
Nachdem sie von uns gegangen war, benutzten wir den Ausdruck fast andächtig. Ich hielt ihn für einen ganz normalen Trinkspruch wie »Runter damit« und schockierte eine Schulfreundin Jahre später bei einem Familienessen, als ich mein Glas erhob und sagte: »Okay, Leute, ertränken wir den Schmerz!«
Inzwischen benutzen wir den Spruch als Kurzform von »sich schamlos zuschütten«.
»Ich werde den Schmerz schon nicht ertränken«, erwidert Lottie und klingt gekränkt. »Außerdem hast du da Pause, Fliss.«
Möglicherweise hatte ich ein paar Wodkas zu viel, nachdem Daniel und ich auseinander waren, und möglicherweise habe ich den Gästen in diesem indischen Restaurant eine ziemlich lange Predigt gehalten. Da muss ich ihr recht geben.
»Ja, nun.« Ich seufze. »Bis bald.«
Ich lege den Hörer auf, schließe die Augen und gebe meinem Gehirn zehn Sekunden Zeit, neu hochzufahren und sich zu konzentrieren. Ich muss Lotties Liebesleben vergessen. Ich muss mich auf die Preisverleihung konzentrieren. Ich muss meine Rede zu Ende schreiben. Jetzt. Los.
Ich mache die Augen auf und schreibe eilig eine Liste von Leuten, denen ich danken möchte. Sie wird zehn Zeilen lang, denn ich gehe lieber auf Nummer sicher. Ich schicke sie Ian mit der Überschrift »Text! Dringend!« und springe von meinem Schreibtisch auf.
»Fliss!« Als ich mein Büro verlasse, fängt Celia mich ab. Sie ist eine unserer profiliertesten Autorinnen und hat die typischen Krähenfüße einer professionellen Hoteltesterin. Eigentlich sollte man doch meinen, dass die Wellness-Anwendungen eventuelle Sonnenschäden wettmachen, aber offenbar ist meist das Gegenteil der Fall. Man sollte aufhören, Wellness-Anlagen in Thailand zu bauen. Gebraucht werden sie doch eher in winterlichen Ländern, denen es an Tageslicht mangelt. Hm. Ist das vielleicht eine Idee?
Ich
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