Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
tun.«
»Darüber will ich lieber nicht so viel wissen«, sagte Hawkwood.
»Ist auch besser so.«
»Und Garvey, arbeitet der für Morgan?«
»Du bist offenbar gar nicht so dumm, wie du aussiehst.« Jago nahm einen Schluck aus seiner Tasse und schmatzte genießerisch.
» Vertreter in dieser Gegend? «, sagte Hawkwood. »Das kannst du erzählen, wem du willst! Er kennt Pepper, er erkannte die Leichen in der Scheune, und er kannte sich offenbar bestens in der Gegend aus. Dazu braucht man kein Genie zu sein.«
Hawkwood lehnte sich an das Schott zurück. Aus irgendeinem Grund fühlten sich seine Glieder plötzlich schwer wie Blei an. Er hatte den überwältigenden Wunsch, die Augen zu schließen. Doch er durfte nicht einschlafen, denn das wäre gefährlich. Wenn er einnickte, würde er womöglich nie wieder aufwachen. Er versuchte, gegen seine Müdigkeit anzukämpfen.
»Also gut«, sagte Jago. »Aber es macht nichts. Er ist einer von Morgans Laufburschen. Er trägt Informationen über neue Ladungen weiter und solche Sachen. Morgan setzt Garvey auch ein, wenn Leute bezahlt werden müssen, dadurch weiß er natürlich, wo ein paar seiner Knochen vergraben sind. Wir sehen uns ab und zu, immer wenn ich in meine alte Heimat komme, nehme ich Kontakt mit ihm auf. Ist auch ganz gut so.«
Er schwieg, nahm einen Schluck Kaffee und sah hinüber zu Hawkwood. Dem fielen die Augen zu. Die Tasse war dabei, ihm aus der Hand zu fallen.
Jago seufzte. Er stellte seine Tasse hin und streckte den Arm aus, gerade noch rechtzeitig, um die fallende Tasse zu retten. »Wird auch Zeit«, murmelte er. Er stellte die Tasse auf den Tisch, nahm die Decke von der Koje und breitete sie über Hawkwood aus, der bereits fest schlief. Er sah hinunter auf das zernarbte, unrasierte Gesicht und runzelte die Stirn beim Anblick der frischen Verletzungen und dem Zustand von Hawkwoods Kleidern. Er schüttelte den Kopf und ging wieder auf seinen Platz. »Manche Leute haben einfach keine Kondition«, sagte er leise zu sich selbst.
Hawkwood fuhr aus dem Schlaf hoch, als er eine Hand auf dem Arm spürte. Er musste einen Augenblick nachdenken, wo er war. Dann hörte er das Ächzen und Knarren und den Ruf eines Seemanns irgendwo oben auf Deck, und sein Gehirn sprang wieder an. Er sah hoch und blickte in Jagos zerfurchtes Gesicht, das sich über ihn beugte. Schnell setzte er sich auf, wobei er sich beinahe eine Beule an einem niedrigen Balken über dem Bett geholt hätte.
»Der Captain sagt, wir sollen an Deck kommen. Auf Starbord am Bug soll ein Segel sein, was immer das heißen mag.«
Hawkwood stand auf und verlor fast das Gleichgewicht, denn das Schiff schwankte jetzt stark. Er fluchte, hielt sich an der Tischkante fest und merkte, wie sich sein Magen umdrehte.
Er folgte Jago die Treppe hinauf an Deck und fühlte sofort den kalten Wind und den Sprühnebel der Gischt im Gesicht. Er hörte das Zischen der Wellen, die der Bug durchschnitt, und das laute Knallen der Segel. Es war noch nicht hell, aber hinter dem Bugspriet zog sich ein rotbraunes Band am Horizont dahin, das immer breiter wurde. An seinem unteren Rand war ein ungleichmäßiger dunkler Streifen, und Hawkwood wusste, das war Land. Es war aber noch zu weit entfernt, um Einzelheiten zu erkennen.
Auf Backbord stand Lasseur vorgebeugt an der Reling und sah durch ein Fernrohr, eine Zigarre zwischen den Zähnen. Er sah aus wie ein Wolf, der Beute gewittert hat; ein Mann in seinem Element.
»Heimat«, sagte er und folgte Hawkwoods Blick. »Meine«, sagte er. »Nicht deine.« Er grinste.
»Wie weit?«
»Zwanzig Meilen, vielleicht etwas weniger.«
Hawkwood sah ihm über die Schulter. Über dem Heck war der Himmel viel dunkler, und es war schwerer, zwischen Meer und Land zu unterscheiden, wenn es dort überhaupt Land gab.
»Du sollst dort ein Segel gesehen haben?«, fragte Hawkwood.
Lasseur nickte. Er reichte Hawkwood das Fernrohr und zeigte geradeaus auf einen weit entfernten Küstenstreifen.
»Zwei Meilen vor dem Bug.«
Hawkwood stemmte sich mit der Hüfte gegen die Reling und versuchte das Wasser zu ignorieren, das über seine Stiefel schwappte. Er hielt das Fernglas ans Auge. Anfangs sah er nichts als blauschwarze Wassermassen. Er setzte das Glas ab, orientierte sich und peilte das helle Band an, das über dem Bug am Himmel zu sehen war, und versuchte es nochmals. Das Glas rutschte ab. Er unterdrückte einen Fluch, aber seine Beharrlichkeit wurde belohnt, denn plötzlich glitt ein dunkler,
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