Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
Vorland hinaufgetragen wurde, hörte er jemanden graben. Ein starker, atemberaubender Gestank drang in den Sack, je näher sie den Spatengeräuschen kamen, es war so schlimm, dass es sogar seinen eigenen Gestank überdeckte. Hawkwood wusste, was es war. Er hatte es schon oft gerochen, im Feldlazarett und in den Leichenhallen von Krankenhäusern. Es war der Gestank verwesender Leichen. Er lag auf der Erde, Kieselsteine im Rücken, die Nase gegen das übel riechende Segeltuch gedrückt, und musste seine ganze Willenskraft zusammen nehmen, um sich nicht durch Würgegeräusche zu verraten.
»Also los, schmeißt die Miststücke rein!«
Der Befehl war aus einiger Entfernung gekommen. Er vermutete, dass die Wachen in einiger Entfernung vom Massengrab gegen den Wind standen.
Eine Stimme kam dicht an sein Ohr und Charbonneau flüsterte: »Nicht mehr lange, Captain. Es ist gleich vorbei.«
Wieder schoben sich Hände unter seine Schultern und zerrten ihn über den Schlick. Er fühlte, wie sein Schulterblatt über einen scharfen Stein schrammte, dann ging es steil nach unten. Er landete auf etwas, das sich wie ein Holzhaufen anfühlte, zumindest den Höckern und Unebenheiten nach zu urteilen, aus denen gelegentlich etwas Spitzes ragte. Der Gestank nach verwesenden Leichen war plötzlich noch viel schlimmer als bisher.
Er hörte, wie ein Spaten in den Boden gestoßen wurde. Hawkwood schnappte nach Luft, als die erste Schaufel voll Erde und Kieselsteinen auf seinen Beinen landete. Sein Herz stolperte, als die zweite Ladung auf seine Brust fiel. Die Erde war feucht und schwer. Er versuchte, seine Arme zu bewegen, wurde aber durch eine weitere Ladung Steine verhindert, die von außen auf das Segeltuch prasselten wie Regen auf ein Zelt.
Er hörte eine leise Stimme. »Leben Sie wohl, Captain.«
Dann wurde sein Gesicht mit Erde bedeckt, und die Welt wurde dunkel.
11
Hawkwood löste seine Hände und streckte den rechten Arm aus. Er bewegte seine Finger und versuchte, die Knie anzuziehen und war unglaublich erleichtert, als er feststellte, dass ihm beides gelang, wenn auch mit einigen Schwierigkeiten. Er konnte seine Knie nicht sehr stark beugen, aber er wusste, dass er wahrscheinlich genug Spielraum hatte, um sich trotz des Gewichts der Erde zu befreien.
Durch das Segeltuch hindurch konnte er noch immer winzige Lichtpunkte wahrnehmen, ein Zeichen dafür, dass das Massengrab nur sehr oberflächlich und absichtlich flüchtig gefüllt worden war, wobei man gerade genug Erde über die frisch hinzugefügten Leichensäcke geworfen hatte, um die Milizionäre zu täuschen.
Er hörte keine Stimmen mehr. Sie hatten sich entfernt, als der Bestattungstrupp zum Boot zurückgegangen war. Er hörte in der Ferne Seevögel und am Strand das Plätschern der Wellen. Er hörte auch Schafe blöken. Auch dieses Geräusch war den Gefangenen vertraut, denn wenn der Wind von der Marsch herüberwehte, hörte man das schwermütige Klagen der Tiere bis aufs Schiff.
Er zog das rechte Knie an, streckte den rechten Arm aus und schob die geöffnete Hand ganz langsam an seinem Oberschenkel hinab. Es ging nicht so leicht, wie er erwartet hatte. Im Sack war nicht genug Platz, um ihm in Rückenlage den Spielraum zu geben, den er brauchte. Er wartete einen Augenblick. Dann holte er tief Luft und drehte sich auf die linke Seite, wobei sich die Leiche unter ihm bewegte. Ein Schwall fauler Luft traf ihn. Er schluckte den sauren Geschmack in seiner Kehle hinunter und versuchte wieder, sich zu bewegen. Diesmal schaffte er es fast. Seine Fingerspitzen schoben sich an seinem Knie vorbei. Er bog seine Schultern nach vorn und langte wieder nach unten. Seine Schultermuskeln reagierten mit schmerzhaftem Protest, aber endlich gelang es ihm, mit Daumen und Zeigefinger das Messer aus seinem Stiefelschaft zu ziehen.
Keuchend ruhte er sich aus und wartete, bis seine Schulter sich beruhigt hatte. Dann drehte er sich wieder auf den Rücken und zog den Arm hoch. Das Messer war weniger als eine Handbreit entfernt, als er die rasiermesserscharfe Klinge in die Naht über seinem Gesicht steckte und anfing zu schneiden.
Er war beim zweiten Stich, als er ein Geräusch bemerkte, das er vorher nicht gehört hatte. Seine Haut prickelte. Langsam zog er das Messer zurück.
Wieder hörte er das Geräusch, es klang, als ob sich jemand vorsichtig näherte. Hawkwood erstarrte. Er hörte ein leises Kratzen, dann wieder Stille. Dann war ihm, als ob er Stimmen hörte, doch er konnte nichts
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