Das höllische Ich
versprechen müssen. Vielleicht bin ich der Einzige, dem die andere Seite die Chance gegeben hat, etwas wieder gutzumachen. Aber ich habe geschworen, sie auch zu nutzen.«
Wer oder was in ihm steckte, sahen wir nicht. Doch wir durften auch nicht zu lange zögern.
»Ich gehe vor!«, flüsterte ich Suko zu.
»Okay! Aber sag mir vorher, wie du die zahlreichen Schattenengel abwehren willst.«
»Warte es ab!«
Ich ließ mich nicht mehr aufhalten und betrat wie von einem Inspizienten geschickt die Bühne.
Vor meiner Brust hing das Kreuz!
***
In diesen Momenten fühlte ich mich tatsächlich als der Sohn des Lichts, der seine Sphären verlassen hatte und nun die ersten Schritte hinein in die normale Welt schritt.
Ich sagte nichts, denn ich war mir sicher, dass Rüben mich zuerst sehen würde.
Noch kämpfte er gegen die unsichtbaren Mächte, die ihn übernehmen wollten. Er wehrte sich, er duckte sich, er bewegte sich hektisch, er keuchte. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht, und die zehn Männer griffen nicht ein, weil sie durch das Erscheinen der höllischen Gestalten noch zu sehr geschockt waren.
Da bemerkte mich Rüben!
Ein Blick reichte ihm. Er schrie laut auf, und ich spürte die Wärme des Kreuzes durch den Hemdstoff dringen. Sie konnte sich auf meiner Haut ausbreiten, und dieses Gefühl empfand ich als ungemein angenehm und anregend. Es gab mir den nötigen Mut. Ich fühlte mich zwar nicht wie auf Wolken schwebend, aber durch meinen Körper schienen ganz andere Säfte zu strömen, die mir ein Hochgefühl gaben.
Angst verspürte ich keine. Ich stand sicher auf meinen eigenen Füßen. Der Eindruck, der Sohn des Lichts zu sein, festigte sich mit jedem Schritt in mir.
Mein Ziel stand ebenfalls fest. Ich wollte in den inneren Kreis treten. Dort hatte sich die Magie halten können, dort war sie möglicherweise noch verstärkt worden – und deshalb wusste ich auch, wen ich zu besiegen hatte.
Rüben kämpfte gegen etwas, das in ihm steckte. Plötzlich stöhnte er laut auf und beugte sich vor. Ich musste ihn schon zwei Mal hart und laut ansprechen, bevor er reagierte.
Er riss den Kopf hoch. Erst jetzt war er in der Lage, mich anzuschauen. Das Kreuz vor meiner Brust musste er einfach sehen.
In den nächsten Sekunden passierte etwas Entscheidendes, an dem ich nicht unbeteiligt war, allerdings eher passiv. Ich erlebte die Ereignisse recht verlangsamt, was daran liegen mochte, dass ich hochkonzentriert war.
Ruben Crane richtete sich auf.
Er sah das Kreuz!
Er stierte es regelrecht an.
Er riss den Mund auf!
Ich wartete, dass er etwas sagen würde, was er nicht fertig brachte. Er konnte nur den Kopf schütteln, und aus seinem Mund, tief in der Kehle geboren, drang ein schreckliches Geräusch, das mich an das Heulen eines Tieres erinnerte.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen!
War das noch der Rüben, auf den ich gesetzt hatte? Der zurückgeschickt worden war, um Menschen auf den rechten Weg zu bringen und sich selbst dabei auch?
Nein, das war er nicht. So reagierte niemand, der diesem Pfad entlangschreiten wollte. Das war alles furchtbar. Nicht nur für ihn, sondern auch für mich. In diesen so langen Augenblicken glaubte ich daran, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben.
Sein Kopf lief rot an. Man konnte schon Angst um ihn bekommen. So rot zu sein, das war unmöglich für einen Lebenden. Ich musste mich an dem Gedanken festhalten, dass ich keinen Menschen vor mir hatte, auch wenn er so aussah.
Die andere Seite war stärker gewesen. Sie hatte sich ihn geholt. Die Schattenwesen waren noch immer da und hatten den Rückkehrer übernommen. Sie wollten ein Exempel statuieren. Darum zwangen sie Rüben, auch weiterhin gegen das Kreuz zu schauen.
Für ihn war es tödlich, auch wenn er sich noch so anstrengte. Er blieb im Kreis, den ich inzwischen auch betreten hatte. Der Platz zwischen den Stühlen war groß genug.
Er schrie schrecklich. Vor seinen Lippen sprühte Schaum. Er war nicht mehr der Gleiche, und ich fragte mich, ob ich überhaupt noch Ruben Crane vor mir hatte oder mehr ein Produkt der Hölle, das der Satan innerhalb kurzer Zeit geschaffen hatte.
Mein Kreuz tat seine Pflicht. Es vibrierte, und ich erlebte das Zittern an meiner Brust. Ich sah die Lichtreflexe über das Metall huschen und hörte wieder das infernalische Brüllen.
Immer stärker kam mir zu Bewusstsein, dass dieser Mensch sich in den Klauen der Hölle befand. Er selbst besaß keinen Schutzengel. Den hatte er für die anderen holen
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