Das höllische Ich
ihre hellen Kutten sahen sie gleich aus, und das sollte wohl auch so sein, denn in dieser Gruppe gab es keine Standesunterschiede. Da zählte nicht das Geld und auch nicht die Position, die man sonst im Leben innehatte. Hier ging es um ein gemeinsames Ziel.
Es war für mich eine Gruppe, keine Sekte. Man hatte ihnen die Möglichkeit gegeben, einen Blick in eine andere Welt zu werfen und mit dem in Kontakt zu kommen, was dort existierte. Konnten Engel etwas Schlechtes sein? Vom Prinzip her nicht. Wer fest an seinen Schutzengel glaubte – wie diese Männer – der wurde nicht enttäuscht, auch wenn er nur das Erscheinen von Ruben Crane erreichte.
Suko tippte mir auf die Schulter. Sagen musste er nichts. Ich machte ihm Platz, damit er ebenfalls hineinschauen konnte. So lange wie ich schaute er nicht hin. Sehr bald drehte er sich zur Seite und flüsterte: »Sie sind sehr andächtig. Fast wie in einer Kirche.«
»Das ist für sie auch so etwas wie eine Kirche.«
»Da ist wohl jeder anders. Sollen wir rein?«
»Lohnt es sich schon?«, fragte ich zurück.
»Im Prinzip nicht. Außerdem will ich nicht stören. Und was ist mit Rüben?«
Ich hob die Schultern. »Hoffentlich hat er sich nicht zurückgezogen und lässt seine Freunde allein. Allerdings traue ich ihm das irgendwie nicht zu.«
»Stimmt.«
Wir warteten neben dem Fenster. Hier draußen in unserer nahen Umgebung zeigte sich keine Veränderung. Abgesehen davon, dass die Dunkelheit immer dichter wurde. Da schien jemand eine graue Plane über die andere gelegt zu haben. Auch die Bäume und Sträucher konnten sich dagegen nicht wehren, sodass sie kaum noch zu unterscheiden waren. Zum Teil schienen sie im Erdboden versunken zu sein.
Ich wollte hier nicht zu lange warten und warf wieder einen Blick durch das Fenster. Noch immer störten mich die verbrannten Bilder, aber meine Aufmerksamkeit richtete sich jetzt gegen die Veränderung in dem geräumigen Gartenhaus.
Ruben Crane war da!
Es spielte für uns keine Rolle, wie er gekommen war. Jetzt stand er in der Mitte des Kreises und wirkte auf mich wie der Hohepriester, der seine Gläubigen zu sich gerufen hatte.
Sie alle blickten ihn an.
Er sprach mit ihnen, denn wir sahen, dass er die Lippen bewegte. Doch was er ihnen bekannt gab, das hörten wir nicht. Er unterstrich seine Worte durch eine entsprechende Gestik, und mehrmals deutete er dabei gegen den runden Ausschnitt in der Decke.
Ich ging davon aus, dass er ihnen einiges über die Gefahren erzählte, mit denen sie zu rechnen hatten. Vielleicht war er auch bereit, die Gruppe aufzulösen.
»Ich denke, wir sollten uns mal hineinschleichen«, schlug Suko vor.
Das war genau in meinem Sinne. Ich blieb diesmal hinter meinem Freund, der so leise wie möglich ging. Bis zur Tür waren es nur wenige Schritte, und vor ihr stoppte Suko.
Er hatte Cranes Stimme gehört. Der Mann sprach wie ein Priester bei seiner Predigt. Er redete von Vergebung und von Chancen, die man ihm gegeben hatte. Und er sprach von den wunderbaren Wesen, die er in der Zwischenwelt gesehen hatte. »Sie alle sind da, um uns Menschen einen Schutz zu geben, denn sie sind die Freunde der Menschen und nicht die Feinde.«
Jemand aus der Runde ergriff das Wort. »Aber wir wissen, dass auch die Engel Feinde haben, Rüben. Du hast es selbst gesagt.«
»Ja, und ich bleibe auch dabei. Ich gebe zu, dass ich die andere Seite unterschätzt habe, und ich überlasse es euch, ob ihr den Weg weitergehen wollt. Es gibt eine Kraft, die nicht will, dass wir mit unseren Engeln Kontakt aufnehmen. Sie ist dagegen und will ihre Macht beweisen. Es sind die Helfer des Teufels. Wenn ihr wollt, könnt ihr sie Teufelsengel nennen. Sie sind bösartig, sie sind grausam, sie dienen der Hölle, und für sie gibt es nichts Höheres, als den anderen Engeln zu schaden und den Kontakt zwischen euch und ihnen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Wenn wir es trotzdem versuchen, wird auch die Gegenseite rasch zur Stelle sein.«
Die Ansprache hatte die Versammelten offenbar getroffen. Sie blieben nicht mehr still, sondern flüsterten miteinander und berieten sich.
»Ich bin gespannt«, sagte Suko. »Und ich würde keine Wette darauf eingehen, wie sie sich entscheiden.«
»Sie bleiben dabei.«
»Meinst du?«
»Ja«, beharrte ich. »Menschen wie diese Männer haben sich einmal entschieden, und es kann sogar sein, dass sie sich wie Märtyrer Vorkommen.«
»Mal abwarten.«
Die flüsternde Beratung war verstummt. Der Sprecher von
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