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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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dass sie sich beim Nachfolgeredner Michael Grosse-Brömer ( CDU / CSU ) auf weiteres Abwiegeln und larmoyante Gefolgschaft genauso verlassen kann wie auf die bösen, polemischen Zwischenrufe von Volker Kauder. Alle zusammen werden den Kasus schon irgendwie dem Parlamentarischen Kontrollgremium überstellen, anders gesagt, der Vergessenheit. Sagt ein Oppositioneller, er wolle wissen, welches Handy noch abgehört worden sei, feixt Kauder: »Ihres!«; weist ein Linker darauf hin, dass auch unabhängig von Merkels Handy Bürgerinnen und Bürger beunruhigt seien, pöbelt er: »Weil dem Gregor seins abgehört wird!« So klingt, im Augenblick ihrer Gefährdung, der vielbeschworene Respekt vor den Grundrechten des Volkes. Das Parlament wird zum Ort, an dem man sich die Schießübungen im Pantheon dieser Rechte ansehen kann. Fraglos ist aber, dass die große Mehrheit des Volkes diese seine Rechte gegen die amerikanischen Abhörinitiativen verteidigt wissen will. Fraglos ist auch, dass die Regierung das Volk in dieser Frage gerade – mal abwiegelnd, mal höhnend, mal feixend – im Stich lässt.

Donnerstag, 28 . November, 10  Uhr
    In Hannover hat der Prozess gegen Christian Wulff begonnen, Berlusconi wird des italienischen Senats verwiesen. Dieter Hildebrandt ist gestorben.
    Auf dem Dach des Reichstags hängen alle Fahnen auf Halbmast zur Erinnerung an Dieter-Julius Cronenberg, einen langjährigen Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Am Vorabend ist die Vereinbarung zur Großen Koalition geschlossen worden. Es gibt Sondersendungen, Diskussionsrunden, Stimmungsumfragen. Das alles bleibt Provisorium bis zur Verkündung der SPD -Mitgliederbefragung am 14 . Dezember. Fällt der Vertrag durch, kommt die Regierung so nicht zustande.
    In der Akkreditierungsstelle des Bundestags kann niemand sagen, wann der reguläre Parlamentsbetrieb aufgenommen werden wird. Erstmalig in der Geschichte des Landes wird ein Hauptausschuss eingesetzt, der die Arbeitsfähigkeit des Parlaments vorübergehend gewährleisten soll. Ich bin eine Viertelstunde zu früh, doch ist das Plenum schon fast zur Hälfte gefüllt. Claudia Roth, den rosa Schal wie eine Federboa tragend, winkt zur Regierungsbank hinüber, die Hosen von Anton Hofreiter sind zu kurz – ein antimodisches Bekenntnis? Der Saal wirkt animiert und lebhaft. Es wird laut diskutiert, die Verhandlungsführer erlauben sich erschöpftes Aussehen. Die Ministerriege ist lückenhaft anwesend.
    Mit Michael Grosse-Brömer ( CDU / CSU ) beginnt die Entfaltung der Siegerrhetorik. Sie steht auf den beiden Säulen Selbstlob und Herabsetzung der Unterlegenen, die auf rascher Arbeitsfähigkeit des Parlaments beharren. Die Anträge der Opposition werden der Lächerlichkeit übergeben: »Jetzt gibt es Kritik – wahrscheinlich musste man länger darüber nachdenken, um überhaupt einen Kritikpunkt zu finden –: Die Grünen und die Linken wollen nun schon partout alle Ausschüsse bilden.« Anders gesagt, sie wollen, was die Bevölkerung auch will. So lernt das geneigte Publikum allenfalls die neuen Phonzahlen des Regierungsapplauses kennen, der warm, aber leidenschaftslos kommt.
    Als Petra Sitte ( DIE LINKE ) aber darauf besteht, dass der Bundestag auch in dieser Phase seinen Aufgaben nachkommen müsse, nickt Angela Merkel demonstrativ: Einigkeit selbst mit der Linken in Ausschussfragen. Allerdings nennt die Rednerin den Hauptausschuss »grundgesetzwidrig« und begründet ihre Aussage in sechs stichhaltigen Punkten. Wenn man bedenkt, dass man einem Parlament kaum etwas Ehrenrührigeres vorwerfen kann als Ungesetzlichkeit, gibt einem die Selbstverständlichkeit, mit der die Bedenken weggewischt werden, nicht nur zu denken, sondern vor allem einen Vorgeschmack auf Zeiten, in denen eine achtzigprozentige Mehrheit sich selbst über Fragen der Verfassungskonformität einzelner Entscheidungen hinwegsetzen könnte.
    Thomas Oppermann ( SPD ) sieht sich außerdem mit dem Vorwurf konfrontiert, durch den Mitgliederentscheid der SPD das Parlament »lahmzulegen«. Dagegen setzt er die Hoffnung, dass dieser »eine Bereicherung für die Demokratie« sei: »Seien Sie bitte so einsichtig und vernünftig, uns die nächsten zwei Wochen mit dem Hauptausschuss leben zu lassen. Wir können zusagen, dass wir die Ausschüsse noch in diesem Jahr, noch vor Weihnachten, exakt definieren und einsetzen, sodass sie dann im nächsten Jahr ihre Arbeit beginnen können.« Man hat sich auf die längste Stand-by-Situation der

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