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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Bißflügel. Solche Aufnahmen werden normalerweise beim Zahnarzt gemacht. Sie gehen viel mehr ins Detail als die Panoramaaufnahme. Ich würde Jane Doe eins auf Grund der Ausbildung ihrer Molaren auf ungefähr fünfzehn oder sechzehn schätzen.«
    Sie wechselte die Röntgenbilder aus. »Das ist das Panoramabild von Jane Doe zwei. Ihre hintersten Backenzähne sind zwar ebenfalls nicht durchgebrochen, doch bei ihr liegt das daran, daß sie impaktiert sind. Früher oder später hätte man sie ziehen müssen. Aber Sie können selber sehen, wieviel differenzierter bei ihr die Zahnkronen ausgebildet sind; außerdem sind die Wurzeln schon gut entwickelt. Dieses Mädchen war zum Zeitpunkt seines Todes etwa zweiundzwanzig, dreiundzwanzig fahre alt.«
    Sie knipste das Gerät aus und sah Decker an.
    »Ich will Ihnen noch etwas über die beiden Mädchen verraten, Peter. Sie mögen wohl auf demselben Scheiterhaufen geendet sein, aber sie kamen nicht aus demselben Stall.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Hennon ging zum Resopaltisch hinüber und nahm zwei rosafarbene Gipsabdrücke von Zähnen und Zahnfleisch in die Hand.
    »Das ist ein Abguß von Jane Doe eins. Nennen wir sie der Einfachheit halber Jean. Jean ist in kieferorthopädischer Behandlung gewesen. Sie hatte wunderbar regelmäßige Zähne, obwohl ich jede Wette eingehen würde, daß sie ihre Spange nicht so oft getragen hat, wie sie sollte. Hier vorne steht nämlich noch etwas über. Ihre Schlußbißstellung war einwandfrei, und sie hatte Reihenziehungen hinter sich.«
    »Was heißt das?«
    »Ein üblicher Vorgang. In einem normalen Mund mit ansonsten normalem Biß zieht man bestimmte Zähne, um für nachwachsende Eckzähne oder Molaren Platz zu machen. So kommt es nicht zu Verschiebungen. Diesem Mädchen sind die ersten Prämolaren gezogen worden. Jemand hat sich ihr Gebiß etwas kosten lassen, Peter. Und auch sonst muß sie von einem anständigen Zahnarzt behandelt worden sein. Die wenigen Silberfüllungen sind saubere Arbeit. Bei Nummer drei gibt es einen winzigen Füllungsüberschuß, aber das passiert auch den Besten unseres Fachs. Die kleine Jean hatte ein tadellos gepflegtes Gebiß und einen ausgezeichneten Zahnarzt. Sie stammte aus besseren Verhältnissen.
    Sehen wir uns jetzt die zweite Jane Doe an. Wir wollen sie Jan nennen.«
    Decker schnitt eine Grimasse, was Hennon nicht entging.
    »Habe ich einen Nerv getroffen?« Sie verzog das Gesicht. »Entschuldigen Sie – schlechte Wortwahl für eine Zahnärztin.«
    »Meine Exfrau heißt Jan. Ich bin zwar nicht gerade ihr größter Verehrer, aber es wäre mir doch lieber, wir würden die Tote Joan nennen.«
    »Also gut, Joan. Die arme Joanie. Sie hat im Leben nie eine Chance gehabt. Sehen Sie sich mal diese Zähne an.«
    Decker nahm die rosa Abgüsse vom Tisch. Das erste, was ihm auffiel, waren die merkwürdigen Schneidezähne.
    »Sehen aus wie Wäscheklammern.«
    »Genau. Wie Wäscheklammern mit einer Kerbe in der Mitte. Und die ersten Molaren unten sehen auch eigenartig aus. Der Okklusionstisch – die Kaufläche – ist völlig zermalmt, und wenn ich so was sehe, fallen mir sofort Hutchinson-Zähne ein: kongenitale Syphilis. Ich wette einen Dollar gegen einen Donut, Joan wurde mit Syphilis geboren. Außerdem hat ihre Mama auch Postpartum nicht sehr viel für Joans Mund getan. Die Zähne, die sie überhaupt noch hatte, sind kariös – faul. Mehrere sind an den Wurzeln abgebrochen, was auf sehr starken Verfall hinweist. Und wenn im Laufe ihres Lebens überhaupt etwas an ihren Zähnen gemacht worden ist, war es immer nur provisorisch. Genausogut könnte man einen geborstenen Damm mit Klebestreifen flicken wollen. Sie war eine Frau, die auf die schöneren Dinge im Leben verzichten mußte.«
    »Nur leider haben sie beide das gleiche Schicksal erlitten«, sagte er.
    Sie schüttelte den Kopf. Es gefiel Decker, daß sie ein bißchen mitgenommen aussah. Die meisten Leute, mit denen er beruflich zu tun bekam, hatten sich innerlich verhärtet, um überhaupt weitermachen zu können. Das galt auch für ihn selbst. Man durfte die Arbeit nicht an sich heranlassen. Aber manchmal tat es Decker gut, wieder daran erinnert zu werden, daß Mord etwas war, was einen eigentlich erschüttern sollte.
    »Was haben wir also?« fragte er. »Wir haben eine sechzehnjährige, einssechzig große, zierliche Weiße aus gutem Haus und eine zwanzigjährige, einssiebzig große, schwer gebaute Weiße aus ärmlichen Verhältnissen. Beide sind seit etwa drei

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