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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Monaten tot, sie wurden verbrannt und mit demselben .38er erschossen.«
    »Erstaunlich, was einem ein paar Knochen alles verraten. Wie werden Sie jetzt weiter vorgehen, Pete?«
    »In Akten wühlen. Ich suche alle Sechzehnjährigen heraus, die innerhalb der letzten sechs Monate als vermißt gemeldet worden sind. Bei einem Mädchen wie Jean hat bestimmt jemand eine Anzeige aufgegeben, obwohl es natürlich auch in den besten Familien mehr Ausreißerinnen gibt, als man denken sollte. Mit der zweiten Toten dürfte es schwieriger werden, weil sie älter war. Sie könnte schon jahrelang in der Gosse gelebt haben. Ich fange mit Jean an. Wenn ich alle Akten zusammenhabe, rufe ich die Eltern der Vermißten an und setze mich mit den Zahnärzten der Familien in Verbindung. Dann schicke ich Ihnen die Röntgenaufnahmen der Mädchen zu, und mit ein bißchen Glück finden Sie eine, die paßt.«
    »Reichlich unwahrscheinlich«, sagte Anne.
    »Ja. Aber manchmal zahlt sich diese Kleinarbeit trotzdem aus.«
    »Dann will ich Ihnen noch einen Tip geben, der unter uns bleiben muß. In den Bericht kann ich es nicht aufnehmen, weil es nur eine Vermutung ist. Menschen, die mit kongenitaler Syphilis zur Welt kommen, sind oft taub oder schwerhörig. Das könnte Ihnen die Suche nach Joanie erleichtern.«
    »Sehr nützlich«, sagte er und stand auf. Er schob den Stift in das Notizbuch, klappte es zu und steckte es ein. »Dr. Hennon …«
    »Annie«, sagte sie rasch.
    »Annie, ich danke Ihnen, daß Sie sich soviel Zeit für mich genommen haben.«
    Als er ihr die Hand reichte, kreuzten sich ihre Blicke.
    »In einer guten Stunde habe ich eine Verabredung zum Essen«, sagte sie. »Hätten Sie nicht Lust, mir zu helfen, bei einem Drink die Zeit totzuschlagen?«
    Meine Herren, dachte Decker, schon die zweite in einer Stunde. Er mußte ziemlich ausgehungert wirken. Annie war eine gutaussehende, sympathische Frau. Wäre er ihr vor sechs Monaten begegnet, hätte er sofort zugegriffen, aber nun gab es Rina in seinem Leben. Trotzdem spielte er mit dem Gedanken, ihre Einladung anzunehmen. Ein Drink, was war denn schon dabei? Nur gemütlich zusammensitzen und plaudern. Aber wozu das Ganze? Angenommen, sie gefiel ihm und er wollte sich öfter rein freundschaftlich mit ihr treffen?
    Angenommen, es wurde mehr daraus, ein sexuelles Abenteuer? Und weiter angenommen, er fand Geschmack an diesem sexuellen Abenteuer? Dann stand er zwischen zwei Frauen. Er wußte, daß er kein guter Jongleur war, was bedeutete, daß es früher oder später zwangsläufig beide herausfinden würden. Zum Schluß wäre er beide los – Rina und den Sex. Er hatte sich von Anfang an vorgenommen, Rina und sich ein Jahr zu geben, in dem sie herausfinden konnten, wie es wirklich um sie stand. Davon waren jetzt erst vier Monate um. Und was noch wichtiger war, er liebte sie und sie liebte ihn, auch wenn sie es einander körperlich nicht beweisen konnten. Sein Herz gehörte Rina, aber die Enthaltsamkeit brachte sein Gefühlsleben allmählich völlig durcheinander.
    Plötzlich merkte er, daß er schon schrecklich lange schwieg.
    »Äh, danke für die Einladung, aber ich bin in Eile.«
    »Was haben Sie bloß die ganze Zeit überlegt?« fragte Hennon. »Daß man als Betthäschen taxiert wird, kennt man ja, aber bei Ihrer Grübelei müßten Sie mittlerweile schon bei Haus und Kindern angelangt sein.«
    Decker lachte.
    »Ich bin schon vergeben … mehr oder weniger.«
    »Mehr oder weniger?«
    »Na ja, wir müssen noch ein paar Hürden überwinden, aber so etwas kommt in den besten Beziehungen vor.«
    »Was haben Sie denn heute abend vor?« fragte sie.
    »Nichts Besonderes eigentlich. Ich werde wohl nach Hause fahren und beten.«
    »Beten? Ich hätte Sie nicht für einen religiösen Menschen gehalten.«
    »Ach, als religiös kann man mich wohl nicht unbedingt bezeichnen.«
    »Was sind Sie dann?« fragte sie.
    »Das weiß ich selbst nicht genau. Jude, mehr oder weniger jedenfalls.«
    »Mehr oder weniger?« Sie befeuchtete sich die Lippen. Er verspürte ein Rühren in den unteren Regionen. Plötzlich kamen ihm die Monate des Zölibats wie Jahre vor. Mann, war er scharf auf sie! »Schönen Dank noch mal«, sagte er und ging zur Tür.
    »Haben Sie schon immer Probleme gehabt, sich zu entscheiden, Pete?«
    »Mehr oder weniger.«
     
    Nachdem er zu Hause sein Pferd bewegt und versorgt hatte, schnappte er sich eine Flasche Don Equis und das Telefon. Mit der Hüfte an die Küchenwand gelehnt und den Hörer

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