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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Krankenwagen!« schrie Decker.
    Während ein Kollege dem Verletzten Erste Hilfe leistete, hetzte Decker weiter hinter Cameron her, der inzwischen über die Rolltreppe wieder nach unten in die Herrenabteilung geflüchtet war.
    »Er ist an der Krawattentheke!« schrie Decker. »Machen Sie sofort den Weg frei!«
    »Keine Bewegung, du Ratte!« hörte er einen Polizisten brüllen.
    Smithson griff sich willkürlich eine Geisel aus der Menge, eine ältere, grauhaarige Frau mit Brille, hinter deren dicken Gläsern ihr die Augen aus dem Kopf zu treten schienen. Er hielt ihr die Pistole an die Schläfe.
    »Zurück, sonst ist sie tot«, keuchte er. »Verstanden?«
    »Keiner bewegt sich!« schrie der Einsatzleiter der Polizei. »Wir ziehen uns zurück!«
    Die Frau fing an zu hecheln, sie verdrehte die Augen.
    »Tun Sie, was er sagt«, befahl der Einsatzleiter. »Tun Sie genau, was er sagt.«
    »Okay!« schrie Cameron. »Ihr Bullenschweine habt genau zwei Minuten, um euch zu verziehen. Dann mache ich Ernst.« Er schoß in die Luft.
    Der Einsatzleiter, ein hochgewachsener, hagerer Mann namens Pearson, hatte einen harten Zug um den Mund, stechend schwarze Augen und ein zerklüftetes Gesicht. Er robbte auf Decker zu.
    »Keine Zeit für das Sondereinsatzkommando. Aber Sie sollen ja auch nicht schlecht mit der Knarre umgehen können.« Er schob ihm eine FAL-Paratrooper hin. »Nieten Sie ihn um.«
    Decker griff nach dem Gewehr.
    Der Mann hatte den Tod verdient.
    Die Entscheidung lag allein bei ihm.
    Arlington ginge ihm damit endgültig durch die Lappen.
    Aber das Schwein hatte den Tod verdient.
    Plötzlich wurde Decker bewußt, was für eine Ungeheuerlichkeit es war, Richter, Geschworene und Henker zugleich spielen zu müssen. Mit ruhiger Hand und kühlem Blick visierte er Smithsons Schädel. Während er langsam den Zeigefinger um den Abzug krümmte, bewegte er seine Hand um wenige Millimeter.
    Er drückte ab.
    Cameron Smithson stierte auf den blutenden Stumpf, der eben noch seine rechte Hand gewesen war. Im nächsten Augenblick lag er auf dem Boden, Polizeibeamte belehrten ihn über seine Rechte und bemühten sich hektisch darum, die Wunde abzubinden. Decker hätte gern gewußt, ob er wohl verbluten würde. Er warf einen Blick auf die Geisel. Sie war mit Blut bespritzt, kreischte hysterisch und zuckte, wie von Krämpfen geschüttelt. Als Marge sie bei den Schultern festhalten wollte, brach die Frau in ihren Armen zusammen.
    Decker stand auf und klopfte sich die Hose ab.
    »Alles in Ordnung?« rief er hinüber.
    »Alles klar«, rief Marge zurück.
    Decker gab Pearson das Gewehr zurück. Der Einsatzleiter war starr vor Wut.
    »Haben Sie ihn absichtlich verfehlt, Sergeant?«
    Decker antwortete nicht. Pearson wiederholte die Frage.
    »Ich habe auf seinen Kopf gezielt, Commander«, sagte Decker.
    Pearson starrte ihn an. »Sie haben auf seinen Kopf gezielt und ihm dabei die Hand abgeschossen?«
    »Ich habe auf seinen Kopf gezielt«, wiederholte Decker.
    »Sie sind als Scharfschütze bekannt. Wie, zum Teufel, konnte das passieren?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie wissen es nicht«, knurrte Pearson. »Sie wissen es nicht, hm?«
    Decker schwieg.
    »Waren Sie in Vietnam, Sergeant?«
    »Ja.«
    »Wie viele Vietcongs haben Sie umgelegt?«
    »Aus kürzester Entfernung? Drei.«
    »Drei Schlitzaugen?«
    »Ja, Sir.«
    »Und haben Sie sich dabei auch erst lange gefragt, ob es gute oder böse Schlitzaugen waren?«
    »Nein, Sir.«
    »Haben Sie etwa zuerst versucht, sie kampfunfähig zu schießen?«
    »Nein, Sir.«
    »Sie haben Ihnen einfach den Schädel weggepustet, richtig?«
    »Richtig.«
    »Und wieso?«
    »Weil sie mich umgebracht hätten, wenn ich sie nicht umgebracht hätte.«
    »Ausgezeichnet, Sergeant«, sagte Pearson spöttisch. »Ganz ausgezeichnet. Soll ich Ihnen mal was verraten, Decker? In Vietnam hatten wir Krieg, und hier haben wir Krieg. Sie haben den Feind drüben nicht kampfunfähig geschossen, und hier schießen Sie den Feind genausowenig kampfunfähig. Wenn Sie mir nicht glauben, lesen Sie mal in den Dienstanweisungen nach, wie man sich bei einer Geiselnahme verhält.«
    »Ich habe auf seinen Kopf gezielt«, wiederholte Decker noch einmal.
    »Jede Wette.« Pearson tippte ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust. »Ihr Captain wird von dieser Sache erfahren. Und bis dahin machen Sie gefälligst ein paar Schießübungen.«
    »Ja, Sir.«
    Nachdem Pearson gegangen war, atmete Decker laut aus. Marge kam zu ihm herüber.
    »Wie hat es die alte

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