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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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diese eine Nacht.«
    »Eine grandiose Idee«, sagte Rina sarkastisch.
    »Die eine Nacht wird dich schon nicht umbringen. Das habe ich mit dir auch gemacht«, sagte ihre Mutter. »Und jetzt schläfst du schließlich trotzdem allein, oder etwa nicht?«
    »Mutter, ich lasse ihn nicht bei mir schlafen. Du weißt doch, was für Schwierigkeiten ich mit den Jungen hatte, nachdem Yitzchak, alaw haschalom, gestorben war.«
    »Er döst schon ein«, sagte ihr Vater. »Leg ihn einfach ins Bett.«
    »Jedes Mal, wenn ich ihn hinlege, schreit er«, sagte Rina verzweifelt.
    »Versuch es noch einmal«, insistierte ihre Mutter.
    »Ich warte, bis er fest eingeschlafen ist.«
    »Bis dahin hast du dir das Kreuz gebrochen«, knurrte ihre Mutter. »Du solltest ihn wirklich mit zu dir ins Bett nehmen.«
    »Vielleicht komme ich lieber ein andermal wieder, Rina«, sagte Decker.
    »Das war ja wohl zu erwarten«, sagte Mrs. Elias bissig.
    »Was soll denn das nun wieder heißen?« fragte Rina mit krampfhaft beherrschter Stimme.
    »Schließlich wissen wir, woher Yonkel diese Alpträume hat.«
    »Dafür kann niemand etwas«, sagte Rina verteidigend.
    »Solange wir die Kinder hatten, gab es so etwas nicht«, sagte ihre Mutter beharrlich.
    »Das Unglück ist nun einmal geschehen, Mrs. Elias«, sagte Decker, der seine Wut hinunterschlucken mußte. »Er wird es schon überleben.«
    »Zwischen Überleben und Glücklichsein besteht ein himmelweiter Unterschied, Detective«, gab Mrs. Elias zurück. » Ich weiß es, ich habe schließlich die Vernichtungslager überlebt.«
    »Mutter, das ist nicht fair!« rief Rina.
    »Ich glaube, ich gehe besser«, sagte Decker.
    »Wie schon gesagt, das war auch nicht anders zu erwarten«, meinte Rinas Mutter.
    »Hör nicht auf sie.«
    »So redest du von mir, Ginny?« sagte ihre Mutter mit Tränen in den Augen. »Hör nicht auf sie?«
    Decker ballte die Fäuste und ging zur Tür. Jacob rief seinen Namen.
    Decker drehte sich um. »Komm her, Bürschchen«, sagte er und streckte die Arme nach ihm aus.
    Diesmal sprang Jacob mit einem Satz hinein.
    »Ich erzähl’ dir noch was, wenn du im Bett liegst, ja?«
    Jacob nickte. Decker trug ihn erleichtert ins Kinderzimmer. Während er den Kleinen leise wieder in den Schlaf redete, hörte er von draußen feindseliges Gemurmel. Sanft strich er Jacob die schwarzen Locken aus der Stirn und deckte ihn warm zu, so daß nur noch die knochigen Schultern des Jungen unter der Bettdecke hervorsahen. Als er eingeschlafen war, stand Decker auf. Die sich abzeichnende Auseinandersetzung war ihm auf den Magen geschlagen, und in seinem Kopf pochte es.
    Rina und ihre Mutter lieferten sich ein erbittertes Wortgefecht. Mr. Elias versuchte zu schlichten, indem er beide Frauen tröstete, womit er von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Mrs. Elias schrie ihre Tochter auf ungarisch an, Rina parierte in derselben Sprache. Decker seufzte innerlich. Nicht genug damit, daß er mit Hebräisch, Jiddisch und Aramäisch zu kämpfen hatte, jetzt mußte er sich auch noch mit Ungarisch herumschlagen. Er hatte sich in eine wandelnde UNO verliebt.
    Der Streit wurde lauter, und die Frauen fingen an, heftig zu gestikulieren. Dann entdeckte Mrs. Elias Decker. Sie zeigte mit dem Finger auf ihn und schrie ihre Tochter erneut an. Ihr Ton war ätzend. Rina wurde feuerrot im Gesicht, gab eine scharfe Antwort zurück und deutete weinend zur Tür. Ihre Mutter marschierte mit steifen Schritten aus dem Haus. Mr. Elias war hin- und hergerissen, er wußte nicht, ob er seiner Frau folgen oder seine Tochter trösten sollte. Aber zum Schluß siegte doch das eheliche Pflichtgefühl über die väterliche Liebe. Mr. Elias gab Rina hastig einen Abschiedskuß und lief hinter seiner Frau her.
    Decker wartete, bis Rina sich wieder ein wenig beruhigt hatte, dann fragte er: »Was hat sie gesagt?«
    »Nichts.«
    »Komm schon. Ich bin ein großer Junge. Was hat sie gesagt?«
    Rina trocknete sich mit einem Taschentuch die Tränen ab und sah mit verquollenen Augen zu ihm hoch.
    »Sie hat gesagt: ›Ich habe die Vernichtungslager überlebt, nur um jetzt mit ansehen zu müssen, daß meine Tochter einen Schejgez und Kosaken heiratet!‹«
    Er lachte.
    »Gut, daß das wenigstens einer von uns komisch findet.«
    Aber ihre Mundwinkel kräuselten sich nach oben.
    »Hier steht er vor dir, dein Chmelnicki beim Pogrom, der die Männer tötet, die Frauen vergewaltigt, der plündert und brandschatzt.«
    Sein Lachen klang bitter. »Ich bin ja im

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