Das Hohelied des Todes
richtig.«
Er preßte ihr den Mund auf die Lippen und spürte sofort die lange unterdrückte Leidenschaft in ihr. Ihr Mund öffnete sich, ihr Atem war warm und süß. Sie schlang ihm die Arme so fest um den Hals, daß er fast keine Luft mehr bekam, und hing an seinen Lippen wie ein Säugling an der Mutterbrust. Er wollte nicht erregt werden und versuchte sich loszumachen, aber sie zog ihn wieder an sich und nahm sich, was ihr so lange verwehrt geblieben war.
Sie zog ihn hinunter auf den Fußboden, warf sich auf ihn und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Ihre Hände zerrten an seinem Hemd, rissen es aus der Hose, machten sich fahrig an den Knöpfen zu schaffen. Decker war hin- und hergerissen zwischen seinem Verlangen und der Sorge um Rina, die hinterher mit Sicherheit von Gewissensbissen gequält werden würde. Das Feuer der Lust gewann die Oberhand. Er riß an seinem Hemd, daß ein Knopf absprang, und zerrte am Reißverschluß ihres Kleides. Er hatte ihn schon halb aufgezogen, als plötzlich Jacob aufschrie – ein schriller Schrei, wie von einem kochenden Pfeifkessel.
»Ach, nein!« Weinend schlug Rina die Hände vors Gesicht. »Das Leben kann so verdammt frustrierend sein!«
»Wem sagst du das«, stöhnte Decker.
»Ich muß hier weg«, sagte sie keuchend. »Sonst werde ich noch wahnsinnig. Ich muß auf eine einsame Insel.«
»Nimm mich ja mit.«
Jacob begann zu weinen.
Rinas Hände zitterten so heftig, daß sie sich auf den Daumennagel beißen mußte, um sie wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Ich kann jetzt nicht, Peter.«
Decker stand auf, knöpfte sich das Hemd zu und stopfte es in die Hose. »Setz dich und träume ein bißchen von Rum und Kokosnüssen. Ich sehe nach Jake.«
Als er zurückkam, hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen.
»Alles in Ordnung mit ihm?« fragte Rina.
»Ja«, sagte Decker. »Im Moment schon.«
»Es wird eine lange Nacht werden.«
»Soll ich hierbleiben?«
»Nein«, antwortete Rina schnell. »Nein, das geht nicht.« Sie nahm Deckers Hände, drückte sie fest und ließ sie wieder los.
»Jetzt weiß ich erst, warum die Trennung von Männern und Frauen im Judentum so streng gehandhabt wird«, sagte sie.
»Ich finde, es gibt nichts Schlimmeres«, sagte Decker. »Du möchtest wahrscheinlich nicht da weitermachen, wo wir vorhin aufgehört haben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn es dich tröstet, Peter, ich bin plötzlich sehr müde. Ich hätte mich bestimmt furchtbar angestellt.«
Darauf hätte er es gern ankommen lassen, aber er drängte sie nicht.
14
In der Gasse, diesem Tunnel aus Schwärze, roch es nach einem Hinterhalt. Decker lockerte seine Waffe und nahm die Taschenlampe heraus. Er richtete sie auf den aufgesprungenen Asphalt und schob sich langsam an die Rückseite des dritten Gebäudes von links heran. Der Geruch von vermodertem Abfall und Kot stieg ihm in die Nase. Er blieb stehen. Irgend etwas stimmte nicht. Zwar wünschte er sich nichts mehr als eine heiße Spur, aber was er hier machte, war der helle Wahnsinn. Gerade wollte er wieder umkehren, als er ein Zischen hörte.
»Dreckschwein«, krächzte eine heisere Stimme.
Decker wirbelte herum, auf die Stelle zu, von der das Flüstern kam, aber er sah nichts als Pappkartons und verbeulte Mülltonnen.
»Clementine?«
»Ich hab’ gesagt, kein Schießeisen, Cop.«
»Mein Eisen ist meine Lebensversicherung.«
»Wir haben was anderes ausgemacht, Cop.«
Decker sagte: »Ich hab’ die Kohle, Clementine.« Er fing an zu schwitzen. Er knipste die Taschenlampe aus und ging ein paar Schritte zurück, bis er eine Mauer im Rücken hatte. Das Gespräch wurde im Dunkeln geführt. Es hatte keinen Sinn, sich als Zielscheibe anzubieten.
»Her mit den Scheinen«, befahl die krächzende Stimme. »Gegenüber, das zweite Haus von rechts.«
»Zuerst sagst du mir, was du über die Gräfin weißt.«
»Zuerst läßt du die Kohle rüberwachsen.«
Sie steckten fest. Bis jetzt kannte niemand die wahre Identität der Gräfin, und alle Wege führten zu Clementine. Dieses Treffen war mit Hilfe von Clementines bestem Pferdchen arrangiert worden. Informationen gegen Bares – zweihundert Dollar in Zwanzigern.
Decker spielte es im Kopf durch. Wenn er das Geld hinübergeworfen hatte, konnte der Zuhälter nicht entkommen, ohne ihm ins Blickfeld zu geraten. Und er hatte schließlich sein Eisen dabei …
Er leuchtete mit der Taschenlampe in die Gasse und warf den Umschlag mit den Scheinen an die gewünschte Stelle.
»Es wäre gut für
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