Das Horror-Restaurant
wieder um. Er wurde den Eindruck nicht los, beobachtet zu werden — und hatte richtig getippt. Woher der Knabe gekommen war, konnte er nicht sagen. Vielleicht aus dem Lagerraum. Jedenfalls stand er nicht weit von der Tür enfernt. Er gehörte der Kleidung nach nicht zu den Köchen, denn er trug einen dunklen Anzug, ein helles Hemd, eine dicke Brille und an den Ohrläppchen kleine Totenköpfe als Schmuck. Suko hatte den Mann noch nie zuvor gesehen, und dieser ihn auch nicht, was sein Gesichtsausdruck deutlich sagte.
Suko übernahm die Initiative. »Wer sind Sie?« fragte er laut und deutlich.
»Ich heiße Landru.«
»Wie nett. Und was tun Sie hier?«
Landru leckte über seine dicken Lippen. Als er die Zunge zurückzog, blieb ein Schleimfaden hängen, der im kalten Licht der Leuchtstoffröhren unter der Decke glasig schimmerte. »Das könnte ich Sie natürlich fragen. Ich gehöre zur Besatzung, Mister. Ich bin sogar der Geschäftsführer und schaue nach dem Rechten.«
»Hier gibt es nichts mehr zu sehen. Ihre Köche scheinen ausgeflogen zu sein.«
»Sie haben Feierabend.«
»So ist das. Haben Sie das Schiff auch verlassen?«
Landru ging nicht auf Sukos Frage ein. Er wollte wissen, mit wem er es zu tun hatte.
»Ich bin ein Gast, der sich verlaufen hat«, erklärte Suko.
Der Glatzkopf nickte. »So, ein Gast«, wiederholte er mit einer Stimme, die Suko gar nicht gefiel. »Es ist nur seltsam, daß ich Sie im Lokal nicht gesehen habe.«
»Sie hätten sich eben eine noch stärkere Brille aufsetzen müssen, Mister.«
»Reden Sie keinen Unsinn! Ich will Ihnen mal sagen, wie ich die Sachlage sehe.«
»Bitte, ich höre.«
»Sie gehören nicht zu den Gästen und befinden sich quasi als blinder Passagier auf dem Schiff.«
»Quasi, nicht?«
»Ja.«
»Dann kann ich ja wiedergehen.«
Landru lachte und spie aus. Er hatte die Hände zusammen gelegt. Die Finger erinnerten in ihrer Kürze an dicke, weiße Würste. Das Gesicht zuckte. Suko bekam den Eindruck, als würde es sich von Sekunde zu Sekunde verändern, auseinanderdriften und wieder zusammenfließen wie eine teigige Masse.
Ghouls bestanden in ihrem Innern aus Schleim. Der Rest war nur mehr Tünche.
Suko spielte mit dem Gedanken, aufs Ganze zu gehen. Die Waffe ziehen, schießen, treffen und zuschauen, wie das geweihte Silber den Ghoul austrocknete und zerstörte.
Es wäre wirklich am besten gewesen, aber bei Suko bestand noch ein Rest Unsicherheit. Dieser Rest reichte ihm, die Beretta stecken zu lassen und nichts zu tun.
Der Geschäftsführer sprach Suko nicht mehr an. Er drehte sich um und ging weg.
»He, wo wollen Sie hin?«
Landru gab keine Antwort. Er drehte Suko weiterhin den Rücken zu und durchquerte die Küche mit seinem watschelnden, breitbeinig angelegten Gang.
Der Inspektor wollte sich keinesfalls auf der Nase herumtanzen lassen. Er folgte dem Geschäftsführer, kam aber zu spät, denn Landru hatte vor ihm eine Tür erreicht, die schon offenstand, was Suko zuvor nicht aufgefallen war.
Seiner Ansicht nach mußte die Für einen Zugang zum Kühlschrank darstellen. Doch die eisige Kälte drang nicht hervor. Keine einzige Wolke schwebte in die Küche.
Es war eine kleine Kammer, in der noch weitere Lebensmittel lagerten. Zumeist Gemüse, auch Mehl und Salz standen in dicken Säcken nebeneinander. An der offenen Tür blieb Suko stehen und sprach Landru noch einmal an. Der drehte sich um. Sein Gesicht hatte sich zu einem bösen Grinsen verzogen. Im Licht einer Lampe sah die Haut gelb aus. Der Mund wirkte wie aufgeklebt. Die Lippen bildeten zwei breite Halbmonde. »Geh weg!« keuchte Landru.
»Geh lieber weg!«
»Ich denke nicht daran.« Suko demonstrierte es und ging auf den Geschäftsführer zu. Er wollte endlich Nägel mit Köpfen machen und es mit der Dämonenpeitsche versuchen.
Suko legte die Hand auf den Griff. Er kam allerdings nicht dazu, die Peitsche zu ziehen, denn Landru sprang ihn an.
Wie ein dicker Gummiball hüpfte er auf ihn zu, öffnete sein Maul zu einer wahren Futterluke, und Suko sah die spitzen Zähne wie Zinken in dem Maul wachsen.
Das war typisch für einen Ghoul!
Die beiden prallten zusammen. Suko hatte den Griff der Peitsche losgelassen, um mit beiden Handkanten zuschlagen zu können. Von links und rechts hämmerte er sie gegen den fetten Hals dieser widerlichen Kreatur — und erreichte nichts.
Die Handkanten drückten den Hals zwar ein und schufen regelrechte Rillen, als hätte er in eine weiche Masse geschlagen, aber
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