Das Horror-Restaurant
bekamen, hatten wir beide noch nie gesehen.
Obwohl das Horror-Restaurant ziemlich groß war, wirkte es doch intim. Vielleicht lag es an der dunklen Umgebung, an dem wenigen Licht, das ebenfalls grau aussah und nur sehr konzentriert eingesetzt wurde, damit gewisse Plätze und Orte ausgeleuchtet werden konnten. Dazu gehörten die viereckigen Tische mit ihren schwarzen Steinplatten. Aber auch die entsprechenden Sitzgelegenheiten, bei denen die Gäste tatsächlich zwischen Knochenstühlen mit hohen Lehnen und Särgen wählen konnten. Wir gehörten mit zu den ersten Gästen. Diejenigen, die schon saßen, sprachen kaum und wenn, dann nur flüsternd, als hätten sie Furcht davor, die Atmosphäre zu zerstören.
Bill schob mich vor. Ich schaute gegen die Decke, wo zwei Strahlen gegen unheimliche Gestalten leuchteten, die drohend über den Köpfen der Gäste schwebten.
Zwei schwarze Skelette in langen, dunklen Umhängen und mit gefährlichen Sensen bewaffnet. Der Tod war also überall zugegen. Die Skelette standen sich gegenüber, so das eins das andere genau beobachten konnte. Auf den bleichen Knochenschädeln wechselten sich Licht und Schatten ab.
Das alles fiel mir beim Eintritt auf. Sicherlich gab es noch zahlreiche Kleinigkeiten, die ich erst bei genauerem Hinsehen würde entdecken können.
Da wir relativ unschlüssig vor dem Vorhang standen, wieselte jemand auf uns zu. Ein kleiner Mann mit einer spiegelblanken Glatze, einem runden Gesicht und einer dicken Hornbrille. Er trug einen dunklen Anzug und Ohrringe aus Totenköpfen.
»Die Herren?« fragte er.
»Wir hatten reserviert«, sagte Bill und nannte noch einmal seinen Namen.
»Ja, natürlich. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
»Danke.«
Er führte uns hinein in die schmalen Wege zwischen den Tischen und vorbei an den schwarzen Särgen und den bleichen Knochenstühlen mit den hohen Lehnen.
Klein, fein und makaber. So hatte es die Werbung versprochen, und sie hatte nicht gelogen. »Sagen Sie mal, Meister.«
»Ja bitte, Sir?«
Bill deutete auf einen der Särge. »Wer liegt denn darin?«
Der bebrillte Glatzkopf lachte schrill. »Niemand - glaube ich«, betonte er.
»Aber wenn Sie wollen, kann ich Ihnen gern ein Plätzchen verschaffen. Sie wären nicht der erste, der sich einen derartigen Scherz erlaubt. Neulich hatten wir eine Familie zu Gast. Er wollte seine Schwiegermutter erschrecken. Sie kam von der Toilette, er hatte sich versteckt und klopfte plötzlich gegen den Deckel.«
»Was geschah mit der Schwiegermutter?« fragte ich.
»Jetzt liegt sie im Sarg«, beteuerte der Glatzkopf mit einem treuherzigen Augenaufschlag. »Allerdings unter der Erde. Sie hat den Schreck nicht überstanden. Ihr Herz, verstehen Sie?«
»Ja, sicher.« Bill lachte. »Und was ist mit dem Schwiegersohn, dem Spaßmacher?«
»Seine Frau hing sehr an ihrer Mutter. Sie nahm Rache und warf ihren Mann nach der Beerdigung aus dem Fenster. Es war der siebte Stock. Der Herr überlebte nicht. Selbstmord, meinte die Polizei.«
Ich nickte. »Unterwegs begegnete dem Mann noch jemand, der versuchte, die Gasleitung zu reparieren, wie?«
»Das habe ich nicht gehört, Sir.«
»Herrliche Geschichten, Mister. Aber sie passen in diese Atmosphäre. Kompliment.«
»Wir bemühen uns, Sir.«
Neben dem Tisch waren wir stehengeblieben. Niemand brauchte auf Särgen zu sitzen, zwei Stühle standen zur Verfügung. Bill nahm sehr vorsichtig Platz. Er befürchtete, der Stuhl würde unter seinem Gewicht zerbrechen.
Ich stand noch, und mich sprach der Glatzkopf an. Seine Lippen zuckten dabei. Sie waren sehr feucht und glänzten, als hätte sie jemand mit einer Schleimspur überzogen. »Ich werde Ihnen gleich die Speisekarte bringen lassen. Wenn Sie aber wollen, können Sie an der Bar noch einen Drink nehmen. Die meisten Gäste essen bei uns später. Ihr Tisch wird immer reserviert bleiben. Wir haben jeden besetzt und nehmen auch keine neuen Gäste mehr an.«
»Was meinst du, Bill?«
Mein Freund stand auf. »Ein kleiner Appetitmacher kann nicht schaden.«
»Eine sehr gute Entscheidung, die Herren. Sie finden den Weg zur Bar? Ich muß mich um andere Gäste kümmern. Sollten Sie irgend etwas zu bemängeln haben, was ich nicht hoffe, wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an mich.«
»Werden wir machen.«
Der Glatzkopf deutete eine Verbeugung an und ging davon. Sein Gang war ungewöhnlich schaukelnd. Er schritt auch ziemlich breitbeinig, wie jemand, der lange zur See gefahren ist.
Bill grinste verwegen.
Weitere Kostenlose Bücher