Das Horror-Telefon
fest.
»Ja, Tom, ich mache es!« sprach sie zu sich selbst. »Ich wollte es nicht tun, erst später, vielleicht nach zwei oder drei Jahren, aber jetzt fühle ich mich stark genug. Ich weiß, daß ich es schaffen kann, und ich werde davon nicht abgehen.« Entschlossen hatte sie genickt, und in ihre Augen war ein harter Ausdruck getreten. Sie würde sich selbst auf die Probe stellen.
Mit entschlossenen Schritten ging sie dorthin, wo sie die Video-Kassetten aufbewahrte. Sie enthielten nicht nur Videofilme, die man kaufen konnte, sondern auch Kassetten mit den selbstgedrehten Streifen, auf denen sie ihre eigenen persönlichen Erinnerungen festgehalten hatte. Natürlich auch die mit Tom Wade.
Sie schob die Kassette in den Rekorder. Ein Sessel stand im günstigen Winkel zum Fernseher. Die Bedienung lag bereit, und Yvette stellte beide Geräte an.
Es war ein Film, der Tom und Yvette zusammen mit anderen auf einer Party zeigte, die damals sehr lustig gewesen war. Sie hatten sich unheimlich gefreut. Da war die Lebenslust aufgebrandet, und das wiederum gab auch der Film wieder.
Entspannt konnte Yvette nicht im Sessel sitzen. Sie hatte sich vorgebeugt, die Augen leicht zu Schlitzen verengt. Hin und wieder zeichnete die Zungenspitze die Form ihrer Lippen nach. Sie spürte hinter der Stirn das Tuckern und im Hals einen bitteren Geschmack.
Reiß dich zusammen! Reiß dich nur zusammen! Immer wieder machte sie sich selbst Mut, bis plötzlich Tom und sie auf dem Streifen erschienen. Sie waren beim Eintritt in das kleine Haus gefilmt worden.
Tom war als erster auf dem Streifen zu sehen. Yvette schaute in sein lächelndes Gesicht, und es durchzuckte sie wie ein böser Stich. Ihre Augen fingen an zu brennen. Sie versuchte, sich unter Kontrolle zu halten, was ihr kaum gelang, denn da stürzten die Tränen hervor. Sie waren eine heiße Flut der Erinnerung, sie brannten auf ihren Wangen und schufen einen Schleier, so daß Yvette die nächsten Szenen nur verschwommen erkennen konnte.
Die Freunde waren zu sehen. Immer wieder auch Tom und sie selbst natürlich.
Himmel, wie locker sie damals gewesen war. Wie sie die Freunde begrüßt hatte. Die vielen Umarmungen, die Wangenküsse, die heiße Musik, die Getränke, das Essen.
Es waren alles Leute aus der Branche gewesen, und die verstanden es eben, richtig zu feiern.
Auch Singles mischten auf dieser Fete mit. Man tanzte viel, konnte sich in den geschmückten Räumen locker bewegen. Das Bauner-Buffet sorgte für eine gute Unterlage, da schmeckte auch das schäumende Bier und der trockene Wein.
Yvette Taylor saß starr im Sessel. Die Tränen wollten nicht mehr fließen, sie waren eingetrocknet, und auch sie kam sich innerlich verstockt vor.
Immer wieder sah sie ihren Verlobten. Erst jetzt nahm sie den Film richtig bewußt wahr, obwohl sie ihn sich zusammen mit Tom schon einige Male angeschaut hatte. Heute hatte sie den Eindruck, als wäre gerade Tom die Person gewesen, die am meisten auf dem Film zu sehen war. Es kam ihr vor, als wollte er schon jetzt von der Welt Abschied nehmen, denn so oft wie er hatte niemand in die Kamera hineingewinkt. Zudem benahm er sich ausgelassen und fast schon überzogen. Yvette konnte sich daran erinnern, daß sie sich damals über sein Benehmen geärgert hatte. Es hatte sogar einen Streit darüber gegeben. Diesmal allerdings sah sie Toms Benehmen aus einer anderen Perspektive.
Es war so überzogen, als hätte er bewußt von seiner Umgebung Abschied genommen, ohne dies allerdings durch Worte oder Erklärungen deutlich gemacht zu haben.
Die junge Frau saß verkrampft in ihrem Sessel und fragte sich, ob Tom schon Todesahnungen gehabt hatte? Wenn ja, warum hatte er sich dann mit ihr verlobt und sich so verstellt? Er hätte ihr doch etwas sagen können, vielleicht hätte es dann eine Möglichkeit gegeben, dem Grauen zu entfliehen.
Jetzt war er tot – oder…?
Yvette schluckte. Sie war bleich geworden, weil die Furcht wieder leicht anstieg. Inzwischen stellte sie sich die Frage, ob es tatsächlich eine gute Idee gewesen war, sich diesen Film anzuschauen. Sie hätte es lieber sein lassen sollen, die Erinnerungen wühlten sie zu sehr auf. Obwohl sie auf den Bildschirm schaute, drehten sich ihre Gedanken um andere Dinge, die sie mit ihrem Verlobten erlebt hatte.
Sie dachte an den langen Spaziergang an der Themse, wo beide über die Zukunft gesprochen hatten, die sie gemeinsam verbringen wollten.
Es fiel ihr auch ein, wie Tom sie indirekt gewarnt und davon
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