Das Horror-Telefon
Mattscheibe flimmerte. Er befand sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, das auch auf den Filmer übertragbar war, denn er hatte es nicht mehr geschafft, die Kamera normal zu halten. Jede Szene bestand aus mehreren Schaukelbewegungen, als hätte der Filmer auf einem schwankenden Brett gestanden und versucht, alles vor die Kamera zu bekommen.
Wieder sah Yvette ihren toten Verlobten. Er gehörte zu denen, die am lustigsten waren, tanzte allein und imitierte dabei eine Bauchtänzerin, ohne deren Geschmeidigkeit zu erreichen, so daß seine Bewegungen leicht lächerlich wirkten.
Ja, er hatte sich voll ausgegeben, er war der wildeste unter den Gästen gewesen.
Yvette starrte auf den Bildschirm und merkte nicht, wie Tränen an ihren Wangen entlangliefen. Sie bekam nicht einmal das Ende des Films mit.
Erst als es zu stark rauschte, erwachte sie aus ihrer Erstarrung. Sie schaltete den Apparat ab.
Die Frau starrte ins Leere. Ihr Gesicht glich einer Maske. In den Augenhöhlen steckten Kugeln, sie waren so farblos wie das Gefieder einer Taube geworden.
Irgendwann setzte sie sich hin. Allmählich schaffte sie es, auch wieder normal nachzudenken. Sie hatte diesem Tag einen ›Kick‹ gegeben.
Allein deshalb, weil ihre Freundin sie bald besuchen würde. Dabei hoffte sie, daß der Besuch etwas ändern würde und sich ihr lethargischer Zustand veränderte.
Magde war eine Frau aus dem Leben. Sie konnte Yvette wieder auf den Boden der Tatsachen bringen. Sicher würde sie lachen, wenn sie die Geschichte hörte. Yvette hatte auch keine Beweise, es sei denn, Tom würde noch einmal anrufen, wenn Magde da war. Dann wollte sie ihr den Hörer geben, damit sie sich davon überzeugen konnte.
Ja, so sollte es sein.
Sie fror trotzdem. Die Kälte kroch über ihren Rücken und schob sich hoch bis zum Nacken.
Sie schauderte.
So kühl war es eigentlich nicht in der Wohnung. Es standen auch keine Fenster offen, so daß Durchzug erst hatte gar nicht entstehen können.
Und doch zog es kühl über ihren Nacken, als wäre sie dort gestreichelt worden.
Sie drehte sich um.
Es war nichts.
Und doch war etwas da.
Yvette sah es in dem Augenblick, als ihr Blick über die Tür hinwegstreifte.
Sie, die den Ausgang in den Flur markierte, stand offen und schwang dabei hin und her, als würde sie von Geisterhänden geführt.
Yvette erschrak tief. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Am liebsten hätte sie sich in den Teppich verkrochen, und nur ein Gedanke jagte durch ihren Kopf.
Mein Gott, er ist hier!
Tom ist hier.
Tom, der Tote!
***
Ed Edson hatte sich mehr als eine Minute nicht bewegt. Anhand meiner Uhr hatte ich die Zeitspanne genau verfolgen können. Er schien mit seinem weißen Ledersessel verschmolzen zu sein, der Blick war auf das Telefon gerichtet, obwohl es unbeweglich dort stand und der Hörer normal auf der Gabel lag.
Er hatte aber seine Elektronik eingeschaltet, ohne daß wir etwas gehört hätten, nur ein Rauschen, das zudem sehr fern klang, als wäre es Lichtjahre von uns entfernt.
Weit weg, auf dem Weg zur Ewigkeit, verloren zwischen Raum und Zeit.
Wir wußten nicht, wie und mit wem er Kontakt aufnehmen wollte. Diese anderen Wesen konnten sich über das Radio melden, möglicherweise auch über das mit Blut bedeckte Telefon. Es lag allein daran, ob die andere Seite bereit war, auf ihn, den Rufer, einzugehen.
Die Minute war vorbei.
Wir hörten Edsons tiefen Atemzug. Dann richtete er sich auf, verließ den Sessel aber nicht, sondern beugte sich nur nach vorn und schaute auf seine Skalen und Diagramme.
»Ist alles in Ordnung?« fragte ich ihn.
»Ja, ich glaube.«
»Wie geht es weiter?«
»Ich weiß es nicht. Es ist so schwer.«
»Haben Sie keine Vergleiche?« wollte Suko wissen. »Sie müssen die doch haben. Oft genug ließen Sie den Kontakt mit den Verstorbenen entstehen und da…«
»Sie irren sich, Inspektor. Heute ist alles anders, das können Sie mir glauben. Ich… ich bin nicht mehr in der Lage, sie zu kontrollieren.«
»Was heißt das?«
Edson lachte kehlig. »Sie wollen nicht so, wie ich will. Ich habe alles eingestellt, die Sender sind okay, aber es gelang mir nicht, mich in Trance zu versetzen. Es entstand kein Kanal. Ohne Channeling können wir nichts erreichen. Sie verstehen, was ich meine.«
»Das schon«, gab ich zu. »Warum sperren sich die anderen Mächte gerade heute? Ist Ihnen das schon öfter passiert?«
Er überlegte sich die Antwort, dann hob er die Schultern und meinte:
»Eigentlich
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