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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Leichenschmaus konnte offensichtlich nicht die Rede sein, man bat die trauernden und von der Reise ermüdeten Verwandten einfach, einem kleinen Imbiß Bescheid zu tun.
    Mitten unter den Familienmitgliedern befand sich einer der beiden Priester, die den Trauerzug auf den Friedhof geleitet hatten, ein hagerer Mann mit gelblichem, müdem Gesicht, aber mit einem Lächeln auf den Zügen, als freute er sich, daß alles so gut abgelaufen war. Dieser Priester nun unterhielt sich, in einem tiefen Bückling erstarrt, mit Großtante Jadwiga, der Seniorin des Geschlechtes Trzyniecki, einer kleinen Person in überlangen und furchtbar weiten Gewändern, die den Eindruck erweckten, daß sie sie niemals abgelegt hatte und darin verwelkt und zusammengeschrumpft war: Sie mußte die Hände ständig wie im Gebet erhoben halten, damit ihr die Spitzenärmel nicht die dürren Fingerchen verdeckten. Auf ihrem kleinen, ein wenig eingedrückten, aber im Grunde noch fast jugendlichen Gesicht lag ein Ausdruck von Abwesenheit und Trotz, als heckte sie gerade einen kindischen Streich aus, ohne den Worten des Priester auch nur im geringsten Beachtung zu schenken. Sie ließ ihre blauen Kulleraugen über die Umstehenden schweifen, und als ihre Wahl auf Stefan fiel, bedeutete sie ihm mit gekrümmtem Finger heranzukommen. Der junge Arzt schluckte und trat kurzentschlossen näher. Der Priester schwieg gekränkt, während die Großtante Stefan spitzbübisch von unten herauf musterte und schließlich mit unglaublichtiefer Stimme fragte: »Du bist doch Stefan, der Sohn von Stefan und Michalina, nicht wahr?«
    »Ja, das stimmt«, sagte er beflissen.
    Die Großtante lächelte ihm zu, und er wußte nicht, ob sie sich ihres guten Gedächtnisses wegen oder über das Aussehen ihres Großneffen freute; sie ergriff mit ihrem knochigen, durchsichtigen Händchen Stefans Hand, hob sie vor ihre Augen, betrachtete sie von beiden Seiten und ließ sie dann unversehens fallen, als hätte sie nichts Interessantes daran gefunden. Wieder tauchte sie ihre hellen Augen in die Stefans, der von ihrem sonderbaren Gehabe wie vor den Kopf gestoßen war, und fragte: »Wußtest du überhaupt, daß dein Vater ein Heiliger werden wollte?«
    Sie gluckste dreimal leise, und bevor Stefan etwas entgegnen konnte, sagte sie ins Blaue hinein: »Irgendwo müssen noch seine Windeln liegen, wir haben sie aufbewahrt.«
    Dann starrte sie vor sich hin und gab keinen Ton mehr von sich. Inzwischen war Onkel Anzelm wieder erschienen und bat die Gäste nunmehr viel energischer als das erstemal ins Speisezimmer; schließlich bot er der Großtante mit einer tadellosen Verbeugung den Arm und schritt mit ihr hinaus, gefolgt von den anderen. Aber die Großtante hatte Stefan nicht vergessen, denn sie äußerte den Wunsch, er möge sich neben sie setzen, was er auch in einer Art freudiger Verzweiflung tat. Es kommt zuweilen vor, daß man eine solche Verquickung gegensätzlicher Gefühle erlebt. Beim Platznehmen ging es ein wenig chaotisch zu; Onkel Ksawery, der bisher unsichtbar gebliebene Gastgeber, erschien jetzt mit einer riesigen Porzellanterrine, der eine Wolke kräftigen Bigosduftes vorauswehte; er hielt eine Kelle zwischen seinen nikotingebräunten Arztfingern und schöpfte den Bigos mit solchem Schwungin die Teller, daß die um ihre Toiletten besorgten Damen erschrocken zurückfuhren; dadurch stieg das Stimmungsbarometer sogleich beträchtlich. Zwei Gesprächsthemen wurden immer wieder strapaziert: das Wetter und die Aussichten auf eine Frühjahrsoffensive der Allierten.
    Stefan zur Linken saß der hochgewachsene, breitschultrige Mann, der durch seinen Militärmantel Stefans Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Es war Grzegorz Niedzic, ein Verwandter von Stefans Mutter, Pächter aus dem Posenschen. Er schwieg die ganze Zeit über, und hatte er einmal seine Haltung verändert, dann erstarrte er darin, als hätte er einen Stock verschluckt. Er lächelte nur einfältig, schüchtern, auf eine rührend kindliche Art, als wollte er damit Abbitte tun für die Umstände, die er mit seiner Person bereitete. Dieses Lächeln paßte so gar nicht zu seinem sonnverbrannten schnurrbärtigen Gesicht und zu dem Anzug aus einer Felddecke, der offensichtlich selbstgeschneidert war, denn er saß denkbar schlecht.
    Bei Tisch trat deutlich zutage, daß den Anwesenden solche Begräbnisfeiern etwas Vertrautes waren; Stefan erinnerte sich, die Familie zum letztenmal vorige Weihnachten in Kielce so friedlich beim Mahle

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