Das Hospital der Verklärung.
Gebäude hoben sich dunkel ab gegen die braunen Wolken, die der Mond wie eine Lampe von innen erleuchtete.
Stefan ging einige hundert Meter weiter, bis er im Rauschen der Blätter in Abständen dumpfe Laute hörte. Jemand kam ihm entgegen. Es war finster, der Mond hatte sich hinter einer Wolke versteckt. Stefan verließ sich auf sein Gehör und wechselte auf die andere Straßenseite hinüber. Er erkannte den Adjunkten erst, als er dicht vor ihm war.
»Herr Doktor … bei uns ist ein Deutscher gewesen«, begann er, brach aber gleich ab; Pajączkowski würde sicherlich Wichtigeres zu melden haben.
Pajączkowski jedoch schwieg. Stefan ging neben ihm her und versuchte vergebens, Schritt zu halten; entweder war er voraus oder hintennach. So gelangten sie ans Tor. Dann begaben sie sich – noch immer schweigend – zu Pajączkowskis Arbeitszimmer; vielmehr strebte der Adjunkt dorthin, und Stefan folgte wie ein Schatten. Pajączkowski schloß die Tür auf und trat ein. Sie wußten beide genau, wo die Möbel standen und daß der Schalter gleich neben der Tür war, trotzdem stießen sie grotesk drei- oder viermal zusammen, ehe es ihnen gelang, Licht zu machen. Stefan, dem viele Fragen auf den Lippen brannten, fuhr beim Anblick Pajączkowskis erschrocken zurück.
Pajączkowski war gelb und wie vertrocknet. Seine Pupillen waren winzig wie Stecknadelköpfe.
»Herr Adjunkt …«, flüsterte Stefan. Dann noch einmal, lauter: »Herr Adjunkt …«
Pajączkowski trat an den Medikamentenschrank und nahm ein Fläschchen mit Glasstopfen heraus – Spiritus vini concentratus –, goß ein wenig in ein Glas und trank es aus, wobei er sich verschluckte, ließ sich in einen Sessel fallen und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
»Auf dem ganzen Weg«, sprach er durch die Finger, »habe ich nachgedacht, was ich ihm sagen soll. Fängt er damit an, daß die Geistesgestörten nutzlos seien, dann berufe ich mich auf Deutsche, auf Bleuler und Moebius. Wenn er mir die Nürnberger Gesetze vorhält, dachte ich, mache ich ihm klar, daß wir doch ein besetztes Land seien und somit unsere Lage vor Abschluß eines Friedensvertrages nicht legalisiert sei … Sollte er die Auslieferung der unheilbaren Fälle fordern, dann entgegne ich, daß die Medizin keine hoffnungslosen Fälle kennt. Immer müsse man mit Unbekannten rechnen, das sei nun einmal die Pflicht jedes Arztes. Und sagt er mir, er befinde sich im Feindesland, so erinnere ich ihn daran, daß er doch in erster Linie Arzt sein müsse. Wenn …«
»Herr Adjunkt …«, flüsterte Stefan flehentlich.
»Ja, ich weiß. Sie mögen es nicht hören. Ich kam also dort an und hatte kaum drei Worte vorgebracht, da schlug er mir schon ins Gesicht.«
»Mein Gott …«, stammelte Stefan.
»Ein ukrainischer Feldwebel sagte mir, Obersturmführer Hutka sei ins Sanatorium gefahren, um die Zahl der Kranken festzustellen und den taktischen Plan auszuarbeiten, wie sie das nennen. Ich hoffe, Sie haben ihm falsche Angaben gemacht?«
»Das ging leider nicht, er prüfte selbst nach.«
»So. Nun ja.«
Pajączkowski goß sich aus einer anderen Flasche Brom mit Luminal ein, schwenkte das Glas, schluckte und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Dann bat er Stefan, alle Ärzte in die Bibliothek zu rufen.
»Den Herrn Professor ebenfalls?«
»Wie? Ja. Oder doch nicht. Nein.«
In der Bibliothek brannte bereits Licht, als Stefan in Begleitung der Nosilewska und Rygiers eintrat. Danach erschienen Kauters, Marglewski und Staszek. Pajączkowski wartete stehend, bis alle Platz genommen hatten. Dann berichtete er kurz, entgegen seiner Gewohnheit ohne jede Abschweifung, daß die deutsch-ukrainische Sonderabteilung, die das Dorf Owsiane befriedet, das heißt in Brand gesteckt und seine Bewohner ermordet hatte, die im Sanatorium befindlichen Kranken auszurotten gedenke. Zu diesem Zweck hätten die Deutschen für den nächsten Morgen Leute angefordert, da sie aus der Praxis wüßten, daß die Kranken zu einer koordinierten Arbeit unfähig seien, ganz im Gegensatz zu den Bauern, die sich ihr Grab gewöhnlich selbst schaufelten. Schließlich berichtete er noch über seinen Versuch, auf Dr. Thießdorf Einfluß zu nehmen.
»Kaum hatte ich ihm den Anlaß meines Kommens angedeutet, da gab er mir eine Ohrfeige. Wie gern hätte ich geglaubt, daß dies seine Entrüstung über eine Verleumdung sei, aber ein ukrainischer Feldwebel erzählte mir, sie hätten Befehl, eine Kampfaktion vorzubereiten. Heute bekämen sie
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