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Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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zusätzlich Munition. Der Feldwebel machte auf mich einen ehrlichen Eindruck, sofern das Wort unter diesen Umständen überhaupt noch einen Sinn haben kann.«
    Abschließend erläuterte Pajączkowski den Ärzten, was der Besuch des Obersturmführers Hutka am Nachmittag eigentlich bezweckt habe.
    »Ich bitte Sie, lassen Sie sich diese Dinge durch den Kopf gehen. Damit … damit gewisse Schritte … gewisse Entscheidungen getroffen werden können. Ich bin zwar der Leiter, aber diesem hier … fühle ich mich einfach nicht mehr gewachsen …« Die Stimme versagte ihm.
    »Man könnte die Kranken vielleicht in die Wälder lassen, und wir selbst würden abreisen, um zwei Uhr nachts fährt ein Personenzug nach Warschau«, sagte Stefan und brach ab; dumpfes Schweigen antwortete ihm.
    Pajączkowski machte eine Bewegung. »Ich habe auch schon daran gedacht. Aber das geht nicht. Sie würden die Kranken ja mit Leichtigkeit wieder aufgreifen. Außerdem, wovon sollen sie im Walde leben? Es wäre gewiß das Nächstliegende, aber eine Lösung ist es nicht.«
    »Der reine Unsinn«, bemerkte Marglewski kategorisch. »Ich bin der Ansicht, daß wir der Gewalt weichen müssen. Wie Archimedes. Das Krankenhaus … verlassen.«
    »Mit den Patienten?«
    »Aber nein. Ganz einfach – so.«
    »Das bedeutet Flucht. Natürlich, auch das wäre ein Ausweg«, erwiderte der Greis mit sonderbarer Geduld und Sanftmut. »Die Deutschen mögen mir ins Gesicht schlagen, mich hinauswerfen, mit mir machen, was ihnen beliebt. Aber ich bin doch etwas mehr als Leiter eines Instituts. Ich bin Arzt. Und Sie alle sind Ärzte.«
    »Unsinn. Was hat das, schon zu sagen!« Marglewski stützte das Kinn in die Hand, als fühlte er sich unbeobachtet.
    »Könnte man es nicht mit … anderen Mitteln versuchen?« fragte Kauters. Alle sahen ihn erwartungsvoll an.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nun … irgendein Beschwichtigungsmittel …«
    »Bestechung …?« erriet der Adjunkt schließlich.
    »Wann werden sie hiersein?«
    »Höchstwahrscheinlich morgen früh zwischen sieben und acht Uhr.«
    Marglewski hatte sich schon auffallend unruhig gebärdet. Jetzt schob er plötzlich seinen Stuhl beiseite, stützte die gespreizten Hände auf den Tisch, daß die Knöchel weiß wurden, und sagte: »Ich … halte das für meine Pflicht. Ich muß die wissenschaftliche Arbeit retten, die Allgemeingut ist und nicht mir allein gehört. Ich sehe, daß mir nichts anderes übrigbleibt. Gehaben Sie sich wohl.« Ohne die anderen eines Blickes zu würdigen, schritt er erhobenen Hauptes hinaus.
    »Wie ist denn so etwas möglich, Kollege!« rief Krzeczotek.
    Pajączkowski winkte ab – eine schwache, kraftlose Bewegung. Die anderen Ärzte schauten noch immer zur Tür.
    »So ist das also …«, sagte Pajączkowski mit brüchiger Stimme. »So ist das. Ich arbeite hier seit zwanzig Jahren … zwanzig Jahren. Und ich habe nicht gewußt … nicht geahnt … ich, ein Psychologe, ein Seelenkenner, ich … Wir haben doch nicht an uns zu denken, sondern an sie!« schrie er herzzerreißend, knallte seine kleine Faust auf den Tisch und schluchzte. Er zitterte am ganzen Leibe, ein Hustenanfall schüttelte ihn.
    Dr. Nosilewska erhob sich, führte ihn zum Sessel und veranlaßte ihn, sich zu setzen, obwohl er sich dagegen wehrte. Das Licht spielte in den goldenen Strähnen ihres Haares, als sie sich über den Greis beugte und diskret sein Handgelenk faßte, um den Puls zu zählen. Dann warf sie ihre Locken zurück und setzte sich wieder auf ihren Platz.
    Nun begannen alle gleichzeitig zu reden: »Vielleicht ist das noch gar nicht sicher.« – »Ich werde den Apotheker anrufen.« – »Auf jeden Fall werden wir Sekulowskiverstecken müssen.« Das hatte Stefan gesagt. »Und den Pfarrer ebenfalls.« – »Herr Kollege, ist er nicht schon abgemeldet?« – »Eben noch nicht.« – »Dann gehen wir gleich ins Büro.«
    »Hutka hat die genaue Krankenziffer festgestellt«, warf Stefan dumpf ein, »und er hat mich, das heißt uns alle, dafür verantwortlich gemacht.«
    Kauters sagte noch immer nichts.
    Pajączkowski stand auf. Er war ruhig, nur seine Augen fieberten. Jetzt trat Stefan auf ihn zu. »Herr Adjunkt, wir müssen uns entscheiden. Man müßte einige Kranke verstecken …«
    »Ich meine, sogar alle, die bei Besinnung sind«, erwiderte der Adjunkt.
    »Die Wertvollsten könnte man …«, begann Rygier zögernd.
    »Vielleicht sollte man alle Rekonvaleszenten freilassen?«
    »Sie haben keine Papiere. Auf dem Bahnhof

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