Das Hotel (German Edition)
die blutrote Flüssigkeit im Glas kreisen und atmete tief ein …
«Mach es nicht so spannend, mein Lieber», meinte Leonora spöttisch. «Ich nehme an, man kann ihn trinken, oder?»
«Im Prinzip kann man jeden Wein trinken», gab ihr Neffe im gleichen Ton zurück. «Dieser Wein hier ist ausgezeichnet», wandte er sich dann an Veronika und begann bedächtig, die übrigen Gläser zu füllen. «Mein Kompliment! Ihr Keller ist offensichtlich von einem Kenner bestückt worden.»
«Ja, das könnte man wohl so sagen», murmelte Veronika, und ihre Stimme klang immer noch metallisch hart bei dem Gedanken an Erwin. «Eins seiner wenigen Talente.»
Heinemann warf ihr von der Seite her einen verunsicherten Blick zu. «Entschuldigung», sagte er, peinlich berührt, einen wunden Punkt getroffen zu haben. «Ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten.»
«Schon gut.» Veronika lächelte verzerrt. «Bitte, lassen Sie es sich schmecken.» Dann hob sie das Glas. «Zum Wohl! Und herzlich willkommen im La Villa !»
Drei Stunden später waren alle Gäste in ihren Zimmern verschwunden.
«Ich dachte schon, sie werden überhaupt nicht mehr müde», seufzte Veronika und ließ sich auf einen der Küchenstühle fallen. «Das Essen war wunderbar, Mascha. Alle waren begeistert.»
«Ich weiß.» Mascha wischte ein letztes Mal über die spiegelnde Fläche des Kochfelds. «Der kleine Dicke hat es mir auch schon gesagt. Er ist echt nett. Vorhin hat er mich eingeladen, seine Obstbrände zu probieren.»
«Jetzt noch?» Veronika runzelte missbilligend die Stirn. «Findest du nicht, dass es schon ziemlich spät dafür ist?»
«Nein.» Mascha nestelte an ihrer Schürze, band sie ab und hängte sie an einen Haken hinter der Tür. «Ich habe den ganzen Tag gearbeitet. Jetzt möchte ich mich amüsieren. Hast du etwas dagegen?» Ihr aufsässiger Ton ließ Veronika resigniert den Kopf schütteln. Was war nur auf einmal in Mascha gefahren?
«Selbstverständlich nicht», erwiderte sie müde. «Du kannst tun und lassen, was du möchtest. Ich gehe noch eine Runde schwimmen und dann ins Bett.»
Im Schwimmbad war es angenehm dämmrig. Das bläuliche Licht der Unterwasserleuchten tauchte den Raum in ein Halbdunkel, in dem man sich gerade noch gut orientieren konnte. Erschöpft streifte Veronika ihren Bademantel ab. In der Annahme, die Einzige zu sein, die um diese Zeit noch das Schwimmbad aufsuchte, hatte sie nur schnell ihren alten Frotteebademantel übergeworfen. Darunter war sie nackt. Aber was machte das schon? Sie würde sowieso niemandem begegnen, der sich über ihren nachlässigen Aufzug wundern könnte.
Das Wasser umspielte ihren Körper kühl und seidig. Sie schloss die Augen, entspannte sich, ließ sich einfach vom Wasser tragen. So verharrte sie lange Zeit unbeweglich, ihre Glieder anmutig schwebend wie die eines Meereswesens, das sich von der Strömung treiben lässt. Die unerwartete Berührung eines anderen menschlichen Körpers riss sie aus ihrem tranceähnlichen Zustand. Sie zuckte wie von einer Nesselqualle gestreift zusammen und stand plötzlich senkrecht im Becken.
«Oh, Verzeihung», keuchte eine männliche Stimme, und der dazugehörige Körper wich ein Stück vor ihr zurück. «Verzeihung, ich habe Sie gar nicht bemerkt. War so in Gedanken.» Die Stimme klang weder nach Sven Heinemann noch nach Manfred Schmidt. Jetzt erst fiel Veronika auf, dass sie Willi Meisters Stimme gar nicht kannte, weil er in ihrer Gegenwart bisher nicht gesprochen hatte.
«Herr Meister …?», fragte sie versuchsweise und zog sich vorsichtig Richtung Beckenrand zurück für den Fall, dass es vielleicht ein Einbrecher war, der Gefallen an ihrem Schwimmbad gefunden hatte.
«Nein, nein, bitte sagen Sie Willi zu mir. Das tun alle», sagte er leise und atemlos. «Tut mir sehr leid, ich wollte Sie wirklich nicht erschrecken.»
«Sie haben mich nicht erschreckt», beruhigte Veronika ihn, nicht ganz wahrheitsgemäß. «Ich hatte nur nicht erwartet, hier noch jemanden zu treffen.»
«Ich bin sofort weg!»
«Halt, bleiben Sie!», befahl Veronika und hielt ihn energisch am Oberarm zurück. Sie spürte harte Muskeln unter der glatten Haut. Auf einmal war sie gar nicht mehr so erpicht darauf, das Schwimmbecken für sich allein zu haben. «Das Becken ist groß genug für uns beide», meinte sie aufmunternd. «Leisten Sie mir Gesellschaft und erzählen Sie mir ein wenig von sich.» Sie ließ ihn los und begann, mit ruhigen Schwimmstößen das Becken zu
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