Das Hotel (German Edition)
durchqueren.
«Was soll ich Ihnen denn erzählen?» Willi hörte sich stark verunsichert an, begann aber gehorsam, in gebührendem Abstand neben ihr herzuschwimmen. In friedlichem Einvernehmen zogen sie ihre kurze Bahn, erreichten das Beckenende und schwammen wieder zurück.
«Wie lange sind Sie denn schon bei den Heinemanns?», half Veronika ihm auf die Sprünge. «Sie scheinen ja zur Familie zu gehören.»
Willi lachte leise. «Na ja, das ist kein Wunder. Schon meine Eltern haben für sie gearbeitet. Mein Vater als Chauffeur und meine Mutter als Köchin.»
«Und sind Sie das immer noch?»
«Nö.» Eine knappe, abweisende Antwort, aber Veronika gab nicht auf.
«Warum nicht, oder möchten Sie lieber nicht darüber sprechen?»
«Genau!», kam es zurück.
Eine Zeitlang schwammen sie schweigend, dann unternahm Veronika einen neuen Anlauf, ihn auszufragen. «Sind Sie in die Fußstapfen Ihres Vaters getreten?»
«Hä? Ach so, Sie meinen, ob ich auch Chauffeur bin? Na ja, unter anderem …»
Jetzt wurde es interessant! Veronika hätte gerne sein Gesicht gesehen, als sie gespielt naiv nachhakte: «Was denn noch?»
«Ich habe Masseur und Krankenpfleger gelernt», gab Willi zögernd zur Antwort. «Aber … Ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen darüber reden sollte.»
«Ich bin bestimmt keine Klatschtante», versicherte Veronika ihm. «Mich interessiert es einfach, wie Sie leben und was Sie arbeiten, Willi.»
«Echt?» Willi klang so überrascht, dass Veronika lächeln musste.
«Ja, echt», bestätigte sie entschieden.
«Also ich sorge dafür, dass der Benz okay ist. Und ich fahre ihn auch, wenn der Sven keine Lust hat, selber zu fahren. Außerdem kümmere ich mich um die alte Dame und so …», schloss er ziemlich vage.
«Hat sie gesundheitliche Probleme?», erkundigte Veronika sich mitfühlend.
«Sie hat oft ziemliche Schmerzen, und dann massiere ich sie, bis sie wieder entspannt ist», erklärte Willi gewichtig. «Ich bin gut darin. Sven hilft es auch immer.»
Auf einmal wurde Veronika sich der Verspannung zwischen ihren Schulterblättern bewusst. Wie praktisch, einen Masseur sozusagen greifbar zu haben!
«Würden Sie ausnahmsweise auch mir eine Behandlung zukommen lassen?», fragte sie den jungen Mann, der unverdrossen an ihrer Seite schwamm. «Ich weiß, es ist unverschämt, Sie jetzt noch darum zu bitten, aber ich habe schreckliche Verspannungen am Rücken.»
«Natürlich», kam die bereitwillige Antwort.
Kurz entschlossen schwang Veronika sich auf den Beckenrand, griff nach ihrem alten Bademantel und legte sich bäuchlings darauf. Der künstliche Sand unter ihr gab nach, formte sich zu einer Mulde, bis er sich ihrem Körper perfekt angepasst hatte. Auf der von einer versteckten Heizschlange angenehm erwärmten Unterlage lag es sich so angenehm, dass Veronika sich daran erinnern musste, ihre Muskeln anzuspannen, als Willi sich neben sie kniete.
«Wirklich ganz schön hart», stellte er fest, während er mit kundigen Händen ihre Schulterpartie abtastete. «Nicht verkrampfen», mahnte er und begann mit dem Bereich zwischen Hals und Schultern. Seine kräftigen und dabei erstaunlich sensiblen Finger kneteten gründlich und ohne jede Spur von Hast jeden Quadratzentimeter durch. Veronika musste ein wohliges Stöhnen unterdrücken. Der junge Mann war tatsächlich ein Meister seines Fachs! Ohne merkliches Zögern wanderten die Hände weiter. Zuerst über die Oberarme, wo sie eher streichelnd über die Haut glitten. Zurück zum Hals fuhren nur die Fingerspitzen darüber, fanden den Haaransatz und die Stelle im Genick, wo seine Berührungen in Veronika ganz erstaunliche Empfindungen auslösten. Überrascht bemerkte sie, dass es eine ganz bestimmte Stelle im Genick, genau am Haaransatz gab, an der sich ein Bündel Nerven befand, deren Stimulation wohlige Schauer über ihren Rücken laufen ließ.
Willi hielt sich dort so lange auf, dass sie die Vermutung hegte, er wisse, was seine Finger dort bewirkten. Schließlich aber glitten seine Hände weiter nach unten, umfassten ihre Taille, strichen über ihre Hüften. Seine Bewegungen waren kraftvoll, aber so kontrolliert, dass er nie die Schwelle übertrat, an der es schmerzhaft geworden wäre. Veronika überließ sich diesen wunderbaren Händen – warm, fest und wissend. Es war wunderbar, sich ihnen einfach anzuvertrauen in dem Bewusstsein, dass sie genau das tun würden, was ihr guttat.
Alles Fühlen, alles Empfinden schien sich auf ihre Haut zu konzentrieren.
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