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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Frau. »Franny wurde vergewaltigt, nicht verprügelt. Und diese Schweine haben sie sehr wohl ›in ihr drin‹ erwischt - wie dein beknackter schwarzer Freund das nennt. Was weiß der schon? Ein Experte für Vergewaltigungen, bloß weil er eine Schwester hat? Deine Schwester hat sich um die einzige Waffe gebracht, die sie gegen diese Schläger hatte - ihr Sperma nämlich. Und niemand hielt sie davon ab, sich zu waschen, niemand brachte sie dazu, sich damit auseinanderzusetzen - deshalb wird sie sich ihr Leben lang damit auseinandersetzen. Überhaupt hat sie ihre Integrität schon dadurch preisgegeben, daß sie sich gegen ihre Angreifer nicht gewehrt hat - und du«, sagte die Frau zu mir, »hast die Vergewaltigung deiner Schwester bequemerweise auch noch verwässert und der Vergewaltigung die Integrität genommen, indem du weggelaufen bist, um deinen Helden zu holen, statt am Ort des Geschehens zu bleiben und dich selbst damit auseinanderzusetzen.«
    »Die Integrität einer Vergewaltigung?« fragte Frank.
    »Ich bin weggelaufen, um Hilfe zu holen«, sagte ich. »Die hätten mich doch bloß zusammengeschlagen und Franny trotzdem vergewaltigt.«
    »Ich muß mit deiner Schwester reden, Schätzchen«, sagte die Frau. »Sie legt sich da ihre eigene laienhafte Psychologie zurecht, und das wird nicht funktionieren, glaub mir: Ich kenne mich aus mit Vergewaltigungen.«
    »Langsam!« sagte Iowa-Bob einmal. »Psychologie ist immer laienhaft. Scheiß auf Freud und den ganzen Quatsch!«
    »Jedenfalls den Freud«, hatte mein Vater hinzugefügt. Und ich dachte mir, später: Vielleicht auch unseren Freud.
    Auf jeden Fall sagte diese Expertin für Vergewaltigungen, Frannys Reaktion auf ihre eigene Vergewaltigung sei Scheiße; und da ich wußte, daß Franny immer noch an Chipper Dove schrieb, wurde ich nachdenklich. Diese Expertin sagte, eine Vergewaltigung sei einfach nicht so, sie habe nicht diese Auswirkungen - ganz und gar nicht. Sie kenne sich aus, sagte sie. Es sei ihr selbst passiert. Und am College habe sie sich einer Gruppe von Frauen angeschlossen, die alle vergewaltigt worden waren, und sie seien sich untereinander einig gewesen, was dabei genau passiere und welches die genau richtigen Reaktionen darauf seien. Noch bevor sie anfing, mit Franny zu reden, konnte ich sehen, welche verzweifelte Bedeutung das eigene Unglück für diese Frau hatte und wie - in ihrer Vorstellung - die einzig glaubhafte Reaktion auf eine erlittene Vergewaltigung ihre eigene war. Daß andere auf ähnlichen Mißbrauch anders reagiert haben könnten, hieß für sie nur, daß es unmöglich der gleiche Mißbrauch gewesen sein konnte.
    »So sind die Leute«, hätte Iowa-Bob dazu gesagt. »Sie haben den Drang, ihre eigenen schlimmsten Erfahrungen allgemeingültig zu machen. Irgendwie hilft ihnen das.«
    Und wer wollte es ihnen zum Vorwurf machen? Trotzdem macht es einen einfach rasend, mit so jemandem zu diskutieren; wegen eines Erlebnisses, das ihnen ihre Menschlichkeit verwehrte, gehen sie herum und verwehren anderen eine andere Art der Menschlichkeit: die Tatsache der Verschiedenheit der Menschen - die ebenbürtig neben unserer Gleichheit steht. Pech für diese Frau.
    »Wahrscheinlich hat sie ein höchst unglückliches Leben gehabt«, hätte Iowa-Bob gesagt.
    In der Tat: diese Frau hatte ein höchst unglückliches Leben gehabt. Diese Expertin für Vergewaltigungen war Susie der Bär.
    »Was soll der Scheiß von ›einem kleinen Vorfall unter so vielen anderern?« wollte Susie der Bär von Franny wissen. »Was soll der Scheiß vom glücklichsten Tag meines Lebens‹?« fragte Susie. »Diese Banditen wollten dich nicht nur ficken, Schätzchen, die wollten dir deine Kraft nehmen, und du hast es zugelassen. Jede Frau, die es so passiv hinnimmt, daß ihr Gewalt angetan wird ... wie kannst du bloß sagen, du hättest irgendwie gewußt, daß Chipper Dove ›der Erste‹ sein würde. Liebes Kind! Du hast aus der Ungeheuerlichkeit, die dir angetan wurde, eine Lappalie gemacht - nur um das alles ein bißchen leichter aushalten zu können.«
    »Wessen Vergewaltigung ist das eigentlich?« fragte Franny Susie den Bären. »Ich meine, du hast deine, und ich hab meine. Wenn ich sage, niemand hat mich in mir drin erwischt, dann hat mich da auch niemand erwischt. Glaubst du denn, sie erwischen dich jedesmal so, daß es dir etwas macht?«
    »Da kannst du deinen süßen Arsch drauf verwetten, Schätzchen«, sagte Susie. »Wenn dich einer vergewaltigt, dann benützt er

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