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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hinterbein aufs andere und tänzelte wie ein Boxer.
    »Ich bin Frank«, sagte Frank nervös zu dem Bären und hielt die Hand hin; dann versuchte er mit beiden Händen die Pfote des Bären zu ergreifen, um sie zu schütteln.
    »Behalt deine Hände für dich, Kleiner«, sagte der Bär zu Frank, und mit einem flinken, kurzen Hieb schlug er Franks Arme auseinander. Rückwärtstaumelnd plumpste Frank auf die Klingel am Empfangsschalter - und es gab ein kurzes ping!
    »Wie haben Sie das geschafft?« wollte Franny von Freud wissen. »Wie haben Sie dem Bären das Reden beigebracht?«
    »Mir bringt keiner das Reden bei, Schätzchen«, sagte Susie der Bär und drückte den Kopf gegen Frannys Hüfte.
    Lilly kreischte: »Der Bär redet, der Bär redet!«
    »Sie ist ein schlauer Bär!« rief Freud. »Hab ich's euch nicht gesagt?«
    »Der Bär redet!« schrie Lilly hysterisch.
    »Ich schrei wenigstens nicht«, sagte Susie der Bär. Und dann gab sie alle Bemühungen auf, sich bärenartig zu gebärden; aufrecht und mürrisch ging sie zur Couch zurück - von wo Lillys erster Schrei sie aufgestört hatte. Sie setzte sich wieder, schlug die Beine übereinander und legte die Füße auf den Stuhl. Was sie las, war das Time Magazine, eine ziemlich alte Ausgabe.
    »Susie kommt aus Michigan«, sagte Freud, als ob damit alles erklärt sei. »Aber sie hat in New York studiert. Sie ist sehr schlau.«
    »Ich war am Sarah Lawrence College«, sagte der Bär, »aber dann bin ich ausgestiegen. Ein richtig elitärer Scheißladen ist das«, sagte sie - über Sarah Lawrence -, während ihr die Welt des Time Magazine ungeduldig durch die Pfoten lief.
    »Es ist ein Mädchen!« sagte Vater. »Ein Mädchen in einem Bärenfell!«
    »Eine Frau«, sagte Susie. »Vorsicht.« Und das 1957 - Susie war ein Bär, der seiner Zeit voraus war.
    »Eine Frau in einem Bärenfell«, sagte Frank, während Lilly sich neben mich schob und mein Bein umklammerte.
    »Es gibt keine schlauen Bären«, sagte Freud düster. »Bis auf die Sorte hier.«
    Über unserem verblüfften Schweigen zankten sich droben die Schreibmaschinen. Uns beschäftigte Susie der Bär - in der Tat ein schlauer Bär, und zudem ein Blindenbär. Jetzt, wo wir wußten, daß sie kein echter Bär war, kam sie uns plötzlich größer vor; in unseren Augen wuchsen ihr neue Kräfte zu. Sie ersetzte Freud mehr als nur die Augen, dachten wir; möglicherweise war sie auch sein Herz und sein Verstand.
    Vater musterte die Hotelhalle, während sich sein alter, blinder Mentor haltsuchend an ihn lehnte. Und was sah Vater diesmal? fragte ich mich. Was für ein Schloß, was für ein Palast, was für eine Luxusklassen-Möglichkeit baute sich immer prächtiger werdend vor ihm auf - während sein Blick über die durchhängende Couch mit der Bärin schweifte, und dann über die nachgeahmten Impressionisten: die rosigen, rindviehplumpen Nackten, umgeben von Blumen des Lichts (auf der nicht dazu passenden geblümten Tapete)? Über den Lehnsessel, dessen Nähte jeden Moment zu platzen drohten (wie die Bomben, die man sich unter all den Trümmern in den äußeren Bezirken vorzustellen hatte), und die eine Leselampe, selbst zum Träumen noch zu trüb.
    »Das mit der Konditorei ist ein Jammer«, sagte mein Vater zu Freud.
    »Ein Jammer?« schrie Freud. »Nein, nein, kein Jammer! Es ist gut. Der Laden ist ruiniert, und die hatten keine Versicherung. Wir können sie aufkaufen - billig! Das bringt uns eine neue Lobby, die den Leuten ins Auge springen wird - von der Straße aus!« rief Freud, obwohl es natürlich nichts gab, was ihm ins Auge sprang oder springen konnte. »Ein sehr günstiges Feuer«, sagte Freud, »und zu einem perfekten Zeitpunkt, genau zu deiner Ankunft«, sagte Freud und drückte den Arm meines Vaters. »Ein brillantes Feuer!« sagte Freud.
    »Ein Feuer nach dem Geschmack eines schlauen Bären«, sagte Susie der Bär und fetzte zynisch durch die alte Nummer des Time Magazine.
    »Hast du es denn gelegt?« fragte Franny.
    »Da kannst du deinen süßen Arsch drauf verwetten, Schätzchen«, sagte Susie.
    Ach ja, da war einmal eine Frau, die auch vergewaltigt worden war, aber als ich ihr Frannys Geschichte erzählte und wie Franny meiner Ansicht nach das Problem angepackt hatte - indem sie es nicht angepackt hatte, vielleicht, oder indem sie das Schlimmste einfach abstritt -, da erzählte mir diese Frau, Franny und ich sähen das falsch.
    »Falsch?« sagte ich.
    »Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten«, sagte diese

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