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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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seinen Schwanz als Waffe. Keiner geht mit einer Waffe auf dich los, ohne daß es dir etwas macht. Zum Beispiel«, sagte Susie der Bär, »wie steht es denn derzeit bei dir mit dem Sex?«
    »Sie ist erst sechzehn«, sagte ich. »Da ist mit dem Sex noch nicht so viel los - wenn man erst sechzehn ist.«
    »Ich halte das auseinander«, sagte Franny. »Auf der einen Seite gibt es den Sex, und auf der anderen Seite die Vergewaltigung«, sagte sie. »Wie Tag und Nacht.«
    »Wieso sagst du dann immer, Chipper Dove sei ›der Erste‹ gewesen, Franny?« fragte ich sie leise.
    »Eben - das ist der springende Punkt«, sagte Susie der Bär.
    »Seht mal«, sagte Franny zu uns - während Frank betreten eine Patience legte und so tat, als höre er nicht zu; während Lilly unserer Unterhaltung folgte, als handle es sich um ein großes Tennismatch und jeder Schlag verdiene Respekt. »Seht mal«, sagte Franny, »der springende Punkt ist der, daß meine Vergewaltigung mir gehört. Es ist meine Vergewaltigung. Sie gehört mir. Ich werde auf meine Art damit fertig.«
    »Aber du wirst eben nicht damit fertig«, sagte Susie. »Du warst nie wütend genug. Du mußt wütend werden. Du mußt rasend werden nach allem, was passiert ist.«
    »Du mußt besessen werden und besessen bleiben«, zitierte Frank den alten Iowa-Bob und verdrehte dabei die Augen.
    »Das ist mein Ernst«, sagte Susie der Bär. Sie übertrieb natürlich den Ernst - aber sie war liebenswerter, als sie am Anfang erschienen war. Susie der Bär begriff dann auch nach einiger Zeit, wie das mit der Vergewaltigung war. Später in ihrem Leben leitete sie ein vortreffliches Vergewaltigungs-Notruf-Zentrum, und in ihren Anweisungen für die Beraterinnen der Vergewaltigungsopfer schrieb sie gleich in der ersten Zeile, daß die Frage »Wem gehört die Vergewaltigung?« die wichtigste Frage überhaupt sei. Sie verstand schließlich auch, daß ihre Wut zwar für sie selbst im wesentlichen heilsam war, daß sie aber für Franny damals nicht unbedingt etwas Heilsames gewesen wäre. »Gib dem Opfer Gelegenheit, sich Luft zu machen«, schrieb sie weise in ihrem Berater-Bulletin, und: »Halte deine eigenen Probleme und die Probleme des Opfers immer auseinander.« Später wurde Susie der Bär zu einer wirklichen Expertin für Vergewaltigungen - die Verfasserin der berühmten Zeile: »Vorsicht: das eigentliche Problem einer Vergewaltigung muß nicht immer dein eigentliches Problem sein; bedenke freundlicherweise die Möglichkeit, daß es mehr als ein Problem geben kann.« Und allen Beraterinnen in ihrem Zentrum gab sie diesen Rat: »Es kommt wesentlich darauf an, zu begreifen, daß es für die Opfer nicht bloß eine Art der Reaktion und der Bewältigung ihrer Krise gibt. Ein Opfer kann alle, keines oder irgendeine Kombination der üblichen Symptome aufweisen: Schuld, Verdrängung, Wut, Verwirrung, Furcht oder auch etwas ganz anderes. Und Probleme können nach einer Woche auftreten oder nach einem Jahr oder nach zehn Jahren oder überhaupt nie.«
    Sehr wahr; Iowa-Bob hätte diesen Bären ebenso gemocht wie Earl. Aber in den ersten Tagen war Susie in Vergewaltigungsfragen - und in vielen anderen Dingen -uns gegenüber ausgesprochen bärbeißig.
    Und wir wurden in einen vertrauten Umgang mit ihr gedrängt, der dadurch unnatürlich war, daß wir uns plötzlich an sie wie an eine Mutter wenden mußten (in Abwesenheit unserer eigenen Mutter); nach einiger Zeit wandten wir uns auch mit anderen Bedürfnissen an Susie. Fast sofort schien uns dieser (bei aller Schroffheit) schlaue Bär umsichtiger als der blinde Freud, und vom ersten Tag und der ersten Nacht an kamen wir in unserem neuen Hotel mit allen Fragen zu Susie dem Bären.
    »Wer sind die Leute mit den Schreibmaschinen?« fragte ich sie.
    »Wieviel verlangen die Prostituierten?« fragte Lilly sie.
    »Wo kann ich einen guten Stadtplan kaufen?« fragte Frank sie. »Möglichst einen, der Rundgänge eingezeichnet hat.«
    »Rundgänge, Frank?« sagte Franny.
    »Zeig den Kindern ihre Zimmer, Susie«, wies Freud seinen schlauen Bären an.
    Irgendwie gingen wir alle erst in Eggs Zimmer, das schlimmste von allen - ein Zimmer mit zwei Türen und keinem Fenster, eine kleine Kammer mit einer Verbindungstür zu Lillys Zimmer (das nur um ein Fenster besser war) und einer Tür zur Eingangshalle im Erdgeschoß.
    »Das wird Egg nicht gefallen«, sagte Lilly, aber Lilly sagte voraus, daß Egg überhaupt nichts gefallen würde: der Umzug nicht, das Ganze nicht. Ich

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