Das Hotel New Hampshire
Albernheit und nichtssagendes Glück im Angesicht des Trübsinns und darum, daß sich auf die sorglosesten und fröhlichsten Tage regelmäßig wie die Nacht Depressionen herabsenken. Frank glaubte an zack! Er glaubte an Überraschungen. Er war ständig im Angriff und auf dem Rückzug, und mit der gleichen Beständigkeit taumelte und tappte er mit weit aufgerissenen Augen im plötzlichen Sonnenlicht herum - und stolperte dabei im Ödland über all die Leichen, die die eben noch herrschende Dunkelheit hinterlassen hatte.
»Er ist einfach verrückt geworden«, sagte Lilly. Und Lilly mußte es wissen.
Lilly wurde auch verrückt. Sie schien Mutters und Eggs Tod als eine persönliche Strafe für irgendein Versagen tief in ihrem Innern anzusehen, und so beschloß sie, sich zu ändern. Unter anderem beschloß sie, zu wachsen.
»Wenigstens ein bißchen«, sagte sie, wild entschlossen. Franny und ich waren in Sorge, denn es schien unwahrscheinlich, daß Lilly noch einmal wuchs, und wenn wir uns vorstellten, mit welcher Anstrengung Lilly ihr »Wachstum« betreiben würde, bekamen Franny und ich es mit der Angst zu tun.
»Ich will mich auch ändern«, sagte ich zu Franny. »Aber Lilly - ich weiß nicht. Lilly ist einfach Lilly.«
»Das weiß doch jeder«, sagte Franny.
»Jeder außer Lilly«, sagte ich.
»Genau«, sagte Franny. »Und wie willst du dich ändern? Du weißt wohl etwas Besseres, als zu wachsen?«
»Nein, was Besseres nicht«, sagte ich. Ich war nur ein Realist in einer Familie aus lauter Träumern, großen und kleinen. Ich wußte, ich konnte nicht mehr wachsen. Ich wußte, ich würde nie richtig erwachsen werden; ich wußte, meine Kindheit würde nie von mir abfallen, und ich würde nie wirklich erwachsen - und verantwortungsbewußt -genug sein für die gottverdammte Welt, wie Frank sie nannte. So sehr konnte ich mich nicht ändern, und ich wußte es. Ich konnte nur etwas tun, was Mutter gefreut hätte. Ich konnte das Fluchen aufgeben, ich konnte mir die Ausdrücke abgewöhnen, die Mutter immer so aufgeregt hatten. Und das tat ich dann auch.
»Heißt das, daß du nie mehr ›verfickt‹ oder ›Scheiße‹ oder ›Arschficker‹ oder auch nur ›leck mich‹ oder ›fick dich ins Knie‹ oder irgend sowas sagen willst?« fragte mich Franny.
»Richtig«, sagte ich.
»Nicht mal ›Arschloch‹?« fragte Franny.
»Richtig«, sagte ich.
»Du Arschloch«, sagte Franny.
»Es ist genauso sinnvoll und sinnlos wie alles andere«, philosophierte Frank.
»Du doofer Sausack«, köderte mich Franny.
»Also, ich finde, das ist ein nobler Vorsatz«, sagte Lilly. »Klein, aber nobel.«
»Er wohnt in einem zweitklassigen Bordell mit Leuten, die die Welt umkrempeln wollen, und da will er seine Ausdrucksweise verbessern«, sagte Franny. »Fotzenkopf«, sagte sie zu mir. »Du Jammerfurz«, sagte Franny. »Die ganze Nacht wichsen und von Titten träumen, aber immer nett daherreden, ist es das, was du willst?« fragte sie.
»Hör schon auf, Franny«, sagte Lilly.
»Du kleine Kackwurst, Lilly«, sagte Franny. Lilly fing an zu weinen.
»Wir müssen zusammenhalten, Franny«, sagte Frank. »Solche Unflätigkeiten helfen uns nicht weiter.«
»Du bist so warm wie ein Katzenfurz, Frank«, ließ sie ihn wissen.
»Und was bist du denn, Schätzchen?« fragte sie Susie der Bär. »Wie kommst du denn dazu, dich für so abgebrüht zu halten?«
»Ich bin nicht so abgebrüht«, sagte Franny. »Du doofer Bär. Du bist doch nur ein unattraktives Mädchen, mit Pickeln - mit Pickel narben: du bist voller Pickelnarben -und du wärst lieber ein doofer Bär als ein Mensch. Hältst du das für abgebrüht? Es ist leichter, ein verfickter Bär zu sein, nicht wahr?« fragte Franny. »Und für einen alten blinden Mann zu arbeiten, der dich für schlau hält - und für schön wahrscheinlich auch«, sagte Franny. »Ich bin nicht so abgebrüht«, sagte Franny. »Aber ich bin schlau. Ich kann mich über Wasser halten, nein, ich kann mehr«, sagte sie. »Ich kann bekommen, was ich will - wenn ich weiß, was es ist«, fügte sie hinzu. »Ich kann sehen, wie die Dinge sind«, sagte Franny. »Und ihr«, sagte sie und sprach uns alle an, selbst die arme Miss Miscarriage, »ihr wartet darauf, daß aus den Dingen etwas anderes wird. Meinst du etwa, Vater tut das nicht?« wandte sich Franny plötzlich an mich.
»Er lebt in der Zukunft«, sagte Lilly, immer noch schluchzend.
»Er ist so blind wie Freud«, sagte Franny, »oder er wird es bald sein. Und
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