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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ein Computer.«
    »Du denkst wie ein Getriebe«, sagte Frank zu Arbeiter. »Vier Vorwärtsgänge - mit festgesetzten Geschwindigkeiten. Und eine Geschwindigkeit für den Rückwärtsgang.«
    Arbeiter machte große Augen. Sein Englisch war ein bißchen schwerfällig - sein Geist war, wie mir später aufging, ungefähr so beweglich wie ein Rasenmäher.
    »Und ungefähr so poetisch«, sagte Susie der Bär. Niemand mochte Arbeiter - nicht mal die so leicht zu beeindruckende Miss Miscarriage. Ihre Schwäche - in den Augen der Radikalen - war ihre Liebe zur Literatur, besonders zu den wild romantischen Verwicklungen, die die amerikanische Literatur ausmachen. (»Dein albernes Studienfach, meine Liebe« schalt Schwanger sie immer wieder.) Doch Fehlgeburts Liebe zur Literatur war ihre Stärke - in unseren Augen. Es war ihre romantische Seite, die nicht ganz tot war, jedenfalls noch nicht. Später - Gott möge mir verzeihen - trug ich meinen Teil zu deren Tod bei.
    »Literatur ist etwas für Träumer«, sagte der Alte Billig zu Fehlgeburt. Die Alte Billig mochte Träume; zu Frank sagte sie einmal, Träume seien das einzige, was sie möge - ihre Träume und ihre »Andenken«.
    »Volkswirtschaft mußt du studieren, meine Liebe«, sagte Schwanger zu Fehlgeburt.
    »Der menschliche Nutzwert«, belehrte uns Arbeiter, »steht in einem direkten Verhältnis zu dem Anteil der Gesamtbevölkerung, der an den Entscheidungen beteiligt ist.«
    »An der Macht«, korrigierte ihn der Alte Billig.
    »An den Macht-Entscheidungen«, sagte Arbeiter - die zwei Männer stießen wie Kolibris in eine einzige kleine Blüte.
    »Schwachsinn, verfickter«, sagte Franny. Arbeiter und der Alte Billig konnten so wenig Englisch, daß man leicht Dinge wie »Fick dich ins Knie« zu ihnen sagen konnte - sie verstanden es nicht. Und trotz meines Gelöbnisses, mir die Kraftausdrücke abzugewöhnen, war ich arg versucht, diese Dinge zu ihnen zu sagen; ich mußte mich ersatzweise damit zufriedengeben, zuzuhören, wenn Franny mit ihnen sprach.
    »Der Rassenkrieg, der irgendwann in Amerika kommt«, sagte Arbeiter zu uns, »wird falsch gedeutet werden. In Wirklichkeit wird es ein Krieg um Klasseninteressen sein.«
    »Wenn du einen Furz läßt, Arbeiter«, fragte ihn Franny, »hören dann die Seehunde im Zoo auf zu schwimmen?«
    Die anderen Radikalen beteiligten sich kaum einmal an unseren Gruppendiskussionen. Einer verausgabte sich an den Schreibmaschinen, der andere an dem einzigen Auto, das die Leute vom Symposion über Ost-West-Beziehungen besaßen: da sie zu sechst waren, paßten sie gerade hinein. Der Mechaniker, der sich mit dem klapprigen Auto abmühte - dem ewig lahmenden Auto, das für einen Fluchtversuch wohl nicht zu gebrauchen war, wie wir glaubten, und wohl nie für einen Fluchtversuch beansprucht werden würde, wie Vater glaubte -, war ein mürrischer junger Mann in einem Overall und mit der marineblauen Mütze eines Straßenbahnschaffners über dem verschmierten Gesicht. Er gehörte der Gewerkschaft an und arbeitete immer die Spätschicht auf der Mariahilfer Straße, einer wichtigen Straßenbahnlinie. Er sah jeden Tag verschlafen und verärgert aus und klapperte mit seinem Werkzeug. Passenderweise nannten sie ihn Schraubenschlüssel. Frank ließ Schraubenschlüssels Namen genüßlich - und angeberisch - von der Zunge rollen, doch Franny und Lilly und ich bestanden auf der Übersetzung; für uns hieß er Wrench.
    »Hi, Wrench«, sagte Franny zu ihm, wenn er fluchend unter dem Wagen lag. »Ich hoffe, du bleibst mit deinen Gedanken schön sauber, Wrench«, sagte Franny. Wrench verstand kein Englisch, und von seinem Privatleben wußten wir nur, daß er sich einmal mit Susie dem Bären verabreden wollte.
    »Ich meine, so gut wie niemand kommt auf die Idee, mit mir auszugehen«, sagte Susie. »So ein Arschloch.«
    »So ein Arschloch«, wiederholte Franny.
    »Allerdings hat er mich noch nie richtig gesehen«, sagte Susie.
    »Weiß er denn, daß du ein Weibchen bist?« fragte Frank.
    »Jessas Gott, Frank«, sagte Franny.
    »Ich war ja bloß neugierig«, sagte Frank.
    »Dieser Wrench ist schiefgewickelt, da bin ich sicher«, sagte Franny. »Geh lieber nicht mit ihm aus, Susie«, riet Franny dem Bären.
    »Machst du Witze?« sagte Susie der Bär. »Schätzchen, ich geh nie aus. Mit Männern.«
    Franny schien das fast passiv zu schlucken, aber ich sah, daß es für Frank in der Luft hängenblieb und daß er erst unbehaglich darauf zuging und dann wieder

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