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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Selbstsicherheit, dieser Hauch von Bösartigkeit, dieser Stich ins Destruktive, diese eiskalte Führerqualität - das war es, was sich ins Herz meiner Schwester einschleichen konnte, das war es, was sie in ihr drin erwischte, das war es, war Franny die Kraft nahm.
    »Wir wollen alle nach Hause«, sagte ich zu Vater. »Zurück in die Vereinigten Staaten. Wir wollen Amerika.
    Uns gefällt es hier nicht.«
    Lilly hielt meine Hand. Wir waren wieder einmal in Franks Zimmer - Frank boxte nervös mit der Schneiderpuppe, Franny lag auf Franks Bett und blickte aus dem Fenster. Sie konnte das Cafe Mowatt auf der anderen Seite der Krugerstraße sehen. Es war frühmorgens, und jemand fegte gerade die Zigarettenkippen zur Tür des Cafes hinaus, über den Gehweg und in den Rinnstein. Nachts waren es nicht die Radikalen, die das Cafe Mowatt bevölkerten; nachts nutzten die Nutten das Lokal, um von der Straße wegzukommen - um eine kleine Pause zu machen, um Billard zu spielen, um ein Bier oder ein Glas Wein zu trinken oder sich anmachen zu lassen -, und Vater ließ Frank und Franny und mich auf ein paar Runden Darts rübergehen.
    »Wir haben Heimweh«, sagte Lilly und bemühte sich, nicht zu weinen. Es war immer noch Sommer, und der Abschied von Mutter und Egg war noch so frisch, daß wir nicht allzu lange über etwas nachdenken durften, das uns fehlte.
    »Das wird hier nichts, Vater«, sagte Frank. »Wie es aussieht, ist die Situation unmöglich.«
    »Und jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Abreisen«, sagte ich, »bevor wir mit der Schule beginnen, bevor wir alle unsere verschiedenen Verpflichtungen haben.«
    »Ich hab aber jetzt schon eine«, sagte Vater leise. »Ich bin Freud verpflichtet.«
    Stand ein alter blinder Mann auf einer Stufe mit uns? wollten wir ihn anschreien, aber Vater duldete nicht, daß wir an seiner Verpflichtung gegenüber Freud herummäkelten.
    »Was meinst denn du, Franny?« fragte er, doch sie starrte weiterhin aus dem Fenster auf die morgendliche Straße. Hier kam der Alte Billig, der erste der Radikalen - da ging Kreisch-Annie, die letzte der Nutten. Beide sahen müde aus, aber beide waren sehr wienerisch in ihrem korrekten Benehmen: mit kräftiger Stimme grüßten sie einander, wie wir durch das offene Fenster in Franks Zimmer hören konnten.
    »Sieh mal«, sagte Frank zu Vater. »Wir sind hier zwar im Ersten Bezirk, klar, aber Freud hat nichts davon gesagt, daß unsere Straße so ziemlich die übelste im ganzen Bezirk ist.«
    »Eine Art Einbahnstraße«, fügte ich hinzu.
    »Und überall Parkverbot«, sagte Lilly. Das Parken war verboten, weil die Krugerstraße anscheinend für die Lieferwagen da war, die die feinen Läden an der Kärntner Straße bedienten und an die Hintereingänge heranfuhren.
    Auch das Bezirkspostamt befand sich in unserer Straße - ein düsteres, rußiges Gebäude, das wohl kaum potentielle Kunden für unser Hotel anzog.
    »Und dann die Prostituierten«, flüsterte Lilly.
    »Zweitklassig«, sagte Frank. »Und keine Hoffnung auf Besserung. Zur Kärntner Straße ist es nur ein Block, aber wir werden nie zur Kärntner Straße gehören«, sagte Frank.
    »Da hilft auch eine neue Eingangshalle nicht«, sagte ich zu Vater, »selbst wenn es eine attraktive Eingangshalle wird: es ist ja niemand da, der sie sehen könnte. Und du bettest die Leute immer noch zwischen Prostitution und Revolution.«
    »Zwischen Sünde und Gefahr, Vater«, sagte Lilly.
    »Natürlich spielt das, auf lange Sicht, kaum eine Rolle«, sagte Frank; ich hätte ihn treten können. »Ich meine, es geht so oder so bergab - es kommt nicht drauf an, wann genau wir von hier weggehen; fest steht nur, daß wir weggehen werden. Mit diesem Hotel geht es bergab. Wir können weggehen, wenn es untergeht oder nachdem es untergegangen ist.«
    »Aber wir wollen jetzt von hier weg, Frank«, sagte ich.
    »Genau, wir alle«, sagte Lilly.
    »Franny?« fragte Vater, aber Franny blickte aus dem Fenster. Ein kleiner Lastwagen der Post versuchte gerade, auf der schmalen Straße an einem Lieferwagen vorbeizukommen. Franny sah die Post kommen und gehen und wartete auf Briefe von Junior Jones - und von Chipper Dove, nehme ich an. Sie schrieb ihnen beiden, ausgiebig, aber nur Junior Jones schrieb zurück.
    Frank verharrte in seiner philosophischen Gleichgültigkeit und sagte: »Ich meine, wir können von hier weggehen, wenn die Nutten alle bei ihren ärztlichen Kontrollen durchfallen, wir können weggehen, wenn die Dunkle Inge endlich alt genug

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