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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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ist, wir können weggehen, wenn Schraubenschlüssels Auto in die Luft fliegt, wir können weggehen, wenn uns der erste Gast verklagt, oder der letzte -«.
    »Aber wir können nicht weggehen«, unterbrach ihn Vater, »solange das hier nicht läuft.« Sogar Franny schaute ihn jetzt an. »Ich meine«, sagte Vater, »wenn es ein erfolgreiches Hotel ist, dann können wir uns das Weggehen leisten. Wir können hier nicht einfach weggehen, wenn es ein Mißerfolg ist«, sagte er ganz vernünftig, »denn wir hätten dann gar nichts, womit wir weggehen könnten.«
    »Redest du von Geld?« sagte ich. Vater nickte.
    »Du hast das Geld schon hier reingepumpt?« fragte ihn Franny.
    »Sie werden noch im Lauf des Sommers mit der Eingangshalle anfangen«, sagte Vater.
    »Dann ist es noch nicht zu spät!« rief Frank. »Ich meine, es ist doch nicht zu spät?«
    »Pump das Geld wieder raus, Daddy!« sagte Lilly.
    Vater lächelte wohlwollend und schüttelte den Kopf. Franny und ich blickten aus dem Fenster: Ernst der Pornograph ging eben am Cafe Mowatt vorbei, er sah angewidert aus. Beim Überqueren der Straße kickte er irgendwelche Abfälle zur Seite; er bewegte sich so zielbewußt wie eine Katze, die hinter einer Maus her ist, aber man sah ihm immer seine Enttäuschung darüber an, daß er später zur Arbeit erschien als der Alte Billig. Er hatte mindestens drei Stunden Pornographie in sich, bevor er eine Mittagspause machte, bevor er seine Vorlesung an der Universität hielt (seine »ästhetische Stunde« nannte er das), und dann stellte er sich den müden, niederträchtigen Stunden des späten Nachmittags, die, wie er uns Kindern erzählte, für »Ideologisches« reserviert waren - für seinen Beitrag zum Bulletin des Symposions über Ost-West-Beziehungen. Was für einen Tag er vor sich hatte! Er war schon jetzt voller Haß auf diesen Tag, das sah ich ihm an. Und Franny konnte die Augen nicht von ihm lassen.
    »Wir sollten sofort weggehen«, sagte ich zu Vater, »ob das Geld rein- oder rausgepumpt ist.«
    »Es gibt nirgends was, wo wir hingehen könnten«, sagte Vater liebevoll. Er hob die Hände; es war fast ein Achselzucken.
    »Nirgendwo hinzugehen ist besser, als hier zu bleiben«, sagte Lilly.
    »Das finde ich auch«, sagte ich.
    »Ihr denkt nicht logisch«, sagte Frank, und ich blickte ihn durchdringend an.
    Vater blickte Franny an; es erinnerte mich an die Blicke, die er gelegentlich Mutter zugeworfen hatte; er hielt wieder Ausschau nach der Zukunft, und er hielt Ausschau nach Verzeihung - im voraus. Er wollte schon jetzt Verzeihung für alles, was noch geschehen würde. Es war, als seien seine Träume so machtvoll, daß er nicht anders konnte, als die Zukunft, wie sie in seiner Vorstellung existierte, einfach auszuleben, und wir wurden um Verständnis dafür gebeten, daß er sich eine Zeitlang aus der Wirklichkeit - und vielleicht auch aus unserem Leben - zurückzog. Denn das ist doch gemeint mit »reine Liebe«: die Zukunft. Und das war der Blick, mit dem Vater Franny ansah.
    »Franny?« sagte Vater. »Was meinst du?«
    Es war Frannys Meinung, auf die er immer wartete. Sie fixierte die Stelle auf der Straße, wo eben noch Ernst gewesen war - Ernst der Pornograph, Ernst der »Ästhet« auf dem Gebiet der Erotik, Ernst der Weiberheld. Ich sah, daß sie in sich drin in Schwierigkeiten war; irgendwie war Frannys Herz schon nicht mehr in Ordnung.
    »Franny?« sagte Vater leise.
    »Ich meine, wir sollten bleiben«, sagte Franny. »Wir sollten erst mal sehen, wie's wird«, sagte sie und drehte uns ihr Gesicht zu. Wir Kinder blickten weg, aber Vater nahm Franny in den Arm und gab ihr einen Kuß.
    »So gefällst du mir, Franny«, sagte er. Franny zuckte mit den Achseln; es war natürlich Mutters Achselzucken - und das wirkte immer bei ihm.
    Jemand hat mir erzählt, daß die Krugerstraße heute weitgehend eine Fußgängerzone ist und daß es in der Straße sogar zwei Hotels gibt, dazu ein Restaurant, eine Bar und ein Cafe - ja, sogar ein Kino und einen Schallplattenladen. Jemand hat mir erzählt, daß es heute eine todschicke Straße ist. Also, das ist wirklich sehr schwer zu glauben. Und ich möchte die Krugerstraße nie wieder sehen, ganz gleich, wie sehr sie sich verändert hat.
    Jemand hat mir erzählt, daß es inzwischen auch in der Krugerstraße feine Läden gibt: eine Boutique und einen Friseur, eine Buchhandlung und einen Schallplattenladen, eine Pelzhandlung und ein Fachgeschäft, das BadezimmerEinrichtungen verkauft. Das ist

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