Das Hotel New Hampshire
vielleicht nicht?« fragte sie mich, und ihr Körper war wie eine Peitsche - ihr Körper war eine Hantel, die mir zu schwer war.
Um zehn sagte ich flüsternd zu ihr: »Um Himmels willen, Franny. Wir müssen aufhören. Sonst tun wir einander noch weh, Franny.«
»Nein, mein Liebster«, flüsterte sie. »Genau das werden wir nicht: einander weh tun. Uns wird es prima gehen. Wir werden ein gutes Leben haben«, versprach sie und nahm mich noch einmal in sich auf. Und noch einmal.
»Franny, ich kann nicht«, flüsterte ich. Der Schmerz machte mich absolut blind; ich war so blind wie Freud, so blind wie Vater. Und für Franny müssen die Schmerzen noch größer gewesen sein als für mich.
»Klar kannst du, mein Liebster«, flüsterte Franny. »Nur noch einmal«, drängte sie mich. »Ich weiß, daß du's schaffst.«
»Ich bin am Ende, Franny«, sagte ich ihr.
»Fast am Ende«, verbesserte sie mich. »Wir können nochmal, nur noch einmal. Danach«, sagte sie zu mir, »sind wir beide fertig damit. Es ist das letzte Mal, mein Liebster. Stell dir nur mal vor, wir versuchten jeden Tag so zu verbringen«, sagte Franny und drückte sich so fest an mich, daß ich keine Luft mehr bekam. »Wir würden glatt durchdrehen«, sagte Franny. »Damit läßt sich nicht leben«, flüsterte sie. »Los komm, du mußt es zu Ende bringen«, sagte sie mir ins Ohr. »Noch einmal, mein Liebster. Das letzte Mal!« schrie sie.
»Also gut!« schrie ich. »Weiter geht's!«
»Ja, ja, mein Liebster«, sagte Franny; ich spürte, wie sich ihre Knie um meinen Rücken schlossen. »Hallo mein Liebster, Lebwohl mein Liebster«, flüsterte sie. »Na also!« schrie sie, als sie spürte, wie mich ein Zittern durchlief. »Ist ja gut, ist ja gut«, sagte sie beschwichtigend. »Das war's, mehr hat sie nicht geschrieben«, murmelte sie. »Das war der Schluß. Nun sind wir frei. Nun haben wir's hinter uns.«
Sie half mir zur Badewanne. Das Wasser brannte mir wie Einreibealkohol auf der Haut.
»Ist das dein Blut oder meins?« fragte ich Franny, die versuchte, das Bett zu retten - nachdem sie uns gerettet hatte.
»Das spielt keine Rolle, mein Liebster«, sagte Franny fröhlich. »Das läßt sich herauswaschen.«
»Dies ist ein Märchen«, schrieb Lilly später - über das ganze Leben unserer Familie. Ich stimme ihr zu; Iowa-Bob hätte ihr auch zugestimmt. »Alles ist ein Märchen!« hätte Coach Bob gesagt. Und selbst Freud hätte ihm zugestimmt - beide Freuds. Alles ist ein Märchen.
Lilly kam gleichzeitig mit dem Servierwagen und dem Etagenkellner an, einem verwirrten New Yorker Ausländer, der uns etwa um elf Uhr abends das aus vielen Gängen bestehende Essen und mehrere Flaschen Wein brachte.
»Was feiert ihr denn?« fragte Lilly Franny und mich.
»Ach weißt du, John hat gerade eine lange Strecke hinter sich«, sagte Franny lachend.
»Du solltest bei Nacht nicht im Park laufen, John«, sagte Lilly besorgt.
»Ich bin die Fifth Avenue entlang gelaufen«, sagte ich. »Es war eine absolut ungefährliche Sache.«
»Absolut ungefährlich«, sagte Franny und brach in Gelächter aus.
»Was ist denn mit der los?« fragte mich Lilly und starrte Franny an.
»Ich glaube, heute ist der glücklichste Tag meines Lebens«, sagte Franny, immer noch kichernd.
»Für mich war es nur ein kleiner Vorfall unter so vielen anderen«, sagte ich ihr, und Franny warf ein Brötchen in meine Richtung. Wir lachten beide.
»Jessas Gott«, sagte Lilly, die an uns verzweifelte - und die Üppigkeit unserer Mahlzeit offenbar abscheulich fand.
»Wir hätten ein ganz unglückliches Leben vor uns haben können«, sagte Franny. »Wir alle, meine ich!« fügte sie hinzu, während sie mit den Fingern auf den Salat losging; ich machte die erste Flasche Wein auf.
»Ich habe vielleicht immer noch ein unglückliches Leben vor mir«, sagte Lilly stirnrunzelnd. »Wenn ich noch öfter einen Tag wie heute erleben muß«, fügte sie kopfschüttelnd hinzu.
»Setz dich und hau rein, Lilly«, sagte Franny, die sich an den Tisch setzte und sich über den Fisch hermachte.
»Genau, du ißt zuwenig, Lilly«, sagte ich ihr und widmete mich den Froschschenkeln.
»Ich war heute zum Mittagessen aus«, sagte Lilly. »Und es war ziemlich unappetitlich«, sagte sie. »Das Essen selbst wäre ja gegangen, aber die Portionen waren zu groß. Mir genügt eine Mahlzeit am Tag«, sagte Lilly, aber sie setzte sich zu uns an den Tisch und sah uns beim Essen zu. Sie angelte sich aus den grünen Bohnen in Frannys
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