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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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lange, wie sie mir den Rücken zukehrte und wir uns wie die sprichwörtlichen verliebten Löffel aneinanderschmiegten, aber als sie sich umdrehte, als sie auf mir lag und ich ihre Brüste an meiner Brust spürte - als sie mich mit ihren Beinen in eine Schere nahm - da änderte sich alles. Wenn es am Anfang zu komisch gewesen war, dann war es jetzt zu ernst, und wir konnten nicht mehr zurück. Als wir uns das erste Mal liebten, waren wir in einer mehr oder weniger herkömmlichen Stellung - »nichts allzu Tantrisches, bitte«, hatte Franny mich gebeten. Und als es vorbei war, sagte sie: »Na ja, das war okay. Nicht überragend, aber ganz nett - hab ich recht?«
    »Also, es war schon mehr als ›nett‹ - für mich«, sagte ich. »Aber nicht unbedingt ›überragend‹ - das würde ich auch sagen.« »Das würdest du auch sagen«, wiederholte Franny. Sie schüttelte den Kopf, sie berührte mich mit ihren Haaren. »Okay«, flüsterte sie. »Paß auf, jetzt wird's überragend.«
    Einmal muß ich sie zu fest umklammert haben. Sie sagte: »Tu mir bitte nicht weh.«
    Ich sagte: »Du brauchst keine Angst zu haben.«
    Sie sagte: »Ein bißchen Angst hab ich schon.«
    »Ich hab auch Angst - ganz gewaltig«, sagte ich.
    Es ist ungehörig, zu schildern, wie man mit der eigenen Schwester ins Bett geht. Genügt es, wenn ich sage, daß es »überragend« wurde und danach noch besser? Und später war es natürlich weniger gut - später wurden wir müde. Gegen vier Uhr nachmittags klopfte Lilly diskret an die Tür.
    »Wer ist da, ein Zimmermädchen?« rief Franny.
    »Nein, ich bin's«, sagte Lilly. »Ich bin kein Zimmermädchen, ich bin eine Schriftstellerin.«
    »Geh weg und komm in einer Stunde wieder«, sagte Franny.
    »Warum?« fragte Lilly.
    »Ich bin gerade am Schreiben«, sagte Franny.
    »Nein, das stimmt nicht«, sagte Lilly.
    »Ich mache Wachstumsversuche!« sagte Franny.
    »Na schön«, sagte Lilly. »Bleib bloß weg von offenen Fenstern«, fügte sie hinzu.
    In gewissem Sinn war Franny natürlich am Schreiben; sie war die Autorin, die festlegte, was aus unserer Beziehung werden würde - sie übernahm dafür eine mütterliche Verantwortung. Sie ging zu weit - was sie mit mir machte, war zuviel. Sie machte mir bewußt, daß das, was zwischen uns war, in jeder Hinsicht zu weit ging.
    »Ich will dich immer noch«, murmelte sie. Es war vier Uhr dreißig. Als ich in sie eindrang, zuckte sie zusammen.
    »Bist du wund?« flüsterte ich.
    » Natürlich bin ich wund!« sagte sie. »Aber hör bloß nicht auf. Wenn du aufhörst, bring ich dich um«, sagte Franny zu mir. Und sie hätte es getan, wie mir später klarwurde. In gewisser Hinsicht - wenn ich in sie verliebt geblieben wäre - wäre sie mein Tod gewesen; jeder von uns wäre für den anderen der Tod gewesen. Aber sie übertrieb es einfach; sie wußte genau, was sie tat.
    »Wir sollten lieber aufhören«, flüsterte ich ihr ins Ohr. Es war fast fünf Uhr.
    »Wir sollten lieber nicht aufhören«, sagte Franny wild entschlossen.
    »Aber du bist wund«, protestierte ich.
    »Noch nicht wund genug«, sagte Franny. »Bist du wund?« fragte sie mich.
    »Ein bißchen«, gab ich zu.
    »Ich will, daß du richtig wund bist«, sagte Franny. »Oben oder unten?« fragte sie mich grimmig.
    Als Lilly wieder an die Tür klopfte, war ich kurz davor, es Kreisch-Annie nachzumachen; wäre eine neue Brücke in der Nähe gewesen, ich hätte sie zum Einsturz bringen können.
    »Komm in einer Stunde wieder!« schrie Franny.
    »Es ist jetzt sieben«, sagte Lilly. »Ich bin drei Stunden weg gewesen.«
    »Geh mit Frank zum Abendessen!« schlug Franny vor.
    »Ich war mit Frank beim Mittagessen!«, rief Lilly.
    »Geh mit Vater zum Abendessen!« sagte Franny.
    »Ich will überhaupt nicht essen«, sagte Lilly. »Ich muß schreiben - es ist Zeit, daß ich wachse.«
    »Nimm dir einen freien Abend!« sagte Franny.
    »Wie lange geht bei dir der Abend?« fragte Lilly.
    »Gib mir noch drei Stunden«, sagte Franny. Ich stöhnte leise. Ich hatte nicht das Gefühl, daß ich noch drei Stunden überstehen konnte.
    »Bekommst du denn keinen Hunger, Franny?« sagte Lilly.
    »Schließlich gibt's ja auch noch einen Zimmerservice«, sagte Franny. »Und außerdem hab ich gar keinen Hunger.«
    Aber Franny war unersättlich. Ihr Hunger nach mir sollte uns beide retten.
    »Nicht nochmal, Franny«, bettelte ich. Es war etwa neun, glaube ich. Es war so dunkel, daß ich nichts mehr sehen konnte. »Aber du liebst mich doch, oder

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