Das Hotel New Hampshire
heißen?« fragte Vater.
»Earl!« sagte Earl.
»Aha, Earl, sehr gut«, sagte Vater. »Und Sie suchen einen Job, Earl?«
»Earl!« sagte Earl.
»Schon gut, daß Sie Earl heißen, weiß ich inzwischen, aber Sie suchen einen Job, stimmt's?« sagte Vater. »Hier steht allerdings, daß Sie nicht tippen können; Sie können nicht mal lesen, und - das steht auch hier - Sie trinken zuviel.«
»Earl«, bestätigte Earl.
Das Publikum warf manchmal Obst, doch Vater hatte Earl vorher gut gefüttert; dieses Publikum war ganz anders als die Gäste im Arbuthnot, an die Vater sich erinnerte.
»Nun, wenn Ihr eigener Name alles ist, was Sie sagen können, dann wage ich zu behaupten, daß Sie entweder den ganzen Abend getrunken haben oder daß Sie zu dumm sind, auch nur die eigenen Kleider auszuziehen.«
Earl sagte nichts.
»Was ist?« fragte Vater. »Nun wollen wir doch mal sehen, ob Sie das können. Runter mit den Kleidern. Auf geht's!« Und hier zog Vater mit einem Ruck den Stuhl nach hinten, und Earl machte eine Rolle vorwärts, wie es ihm Coach Bob beigebracht hatte.
»Purzelbäume schlagen können Sie also. Und wenn schon. Die Kleider, Earl. Lassen Sie mal sehen, ob Sie die ausziehen können.«
Aus irgendeinem Grund ist es albern, wenn eine Menschenmenge zusieht, wie sich ein Bär auszieht: meine Mutter haßte diese Szene - sie sagte, es sei Earl gegenüber nicht fair, ihn einem solchen Haufen gemeiner, ungehobelter Leute auszusetzen. Wenn Earl sich auszog, mußte ihm Vater gewöhnlich bei der Krawatte helfen -andernfalls ging es Earl nicht schnell genug, und er riß sie sich vom Hals.
»Sie haben wohl einen ziemlichen Verschleiß an Schlipsen, Earl«, sagte Vater dann. Das Publikum in Hampton Beach war hingerissen.
Wenn Earl ausgezogen war, sagte Vater zu ihm: »Nun machen Sie schon weiter, keine halben Sachen - runter mit dem Bärenkostüm.«
»Earl?« sagte dann Earl.
»Runter mit dem Bärenkostüm«, sagte Vater und zerrte an Earls Fell - aber nur ein bißchen.
»Earl!« brüllte Earl, und das Publikum kreischte vor Angst.
»Mein Gott, Sie sind ja ein echter Bär!« rief Vater.
»Earl!« brüllte Earl wieder und jagte Vater um den Stuhl herum - und das halbe Publikum floh in die Nacht hinaus, manche stolperten durch den weichen Ufersand hinunter ans Meer; andere warfen Obst und Pappbecher mit warmem Bier.
Eine - für Earl - angenehmere Nummer wurde einmal in der Woche im Kasino von Hampton Beach vorgeführt. Mutter hatte Earls Tanzstil verfeinert, und sobald die Big Band ihr Eröffnungsstück spielte, drehte sie mit Earl einige Runden auf der leeren Tanzfläche, die Paare drängten vorwärts und staunten über die beiden - den gedrungenen, gebückten breitschultrigen Bären, der in Iowa-Bobs Anzug überraschend graziös mit schleifenden Schritten meiner Mutter folgte, die ihn führte.
An diesen Abenden blieb Coach Bob als Babysitter bei Frank. Mutter und Vater und Earl fuhren auf der Uferstraße nach Hause und legten in Rye, wo die Reichen ihre Häuser hatten, einen Halt ein, um sich die Brandung anzusehen, die »Brecher«, wie man die Brandung in Rye allgemein nannte. Die Küste von New Hampshire war zugleich zivilisierter und schäbiger als die von Maine, aber das phosphoreszierende Licht über den Brechern von Rye muß meine Eltern an Abende im Arbuthnot erinnert haben. Sie sagten, sie hätten dort immer Pause gemacht, bevor sie nach Dairy heimfuhren.
Eines Abends wollte Earl nicht von den Brechern in Rye weg.
»Er glaubt, ich geh mit ihm angeln«, sagte Vater. »Sieh mal, Earl, ich hab nichts bei mir - keinen Köder, keine Blinker, keine Angel, du Dummkopf«, sagte Vater zu dem Bären und hielt ihm seine leeren Hände hin. Earl sah verwirrt aus; sie merkten, daß der Bär fast blind war. Sie redeten Earl die Fische aus und brachten ihn heim.
»Wie ist er bloß so alt geworden?« fragte meine Mutter meinen Vater.
»Er pißt neuerdings in den Beiwagen«, sagte Vater.
Meine Mutter war sichtbar schwanger, diesmal mit Franny, als Vater im Herbst 1940 zur Wintersaison aufbrach. Er hatte sich für Florida entschieden, und Mutter bekam die erste Nachricht von ihm aus Clearwater, und dann wieder eine aus Tarpon Springs. Earl hatte sich eine seltsame Hauterkrankung zugezogen - eine nur bei Bären vorkommende Pilzinfektion der Ohren -, und das Geschäft lief schlecht.
Das war kurz bevor Franny geboren wurde, gegen Ende des Winters 1941. Vater kam zu dieser Geburt nicht nach Hause, und Franny verzieh ihm
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